Der Dämon übern Küchentisch – Polyamorie meiner Vergangenheit (Geschrieben im Früherbst 2020)

Ich bin ein verlogener, egoistischer Mensch, der keine Rücksicht auf andere nimmt. Ich habe mich verändert. Während ich zu Beginn noch sympathisch und hilfsbereit war, habe ich zum Ende der Beziehung nur Schaden angerichtet und die gesamte Familie maßlos enttäuscht.

So oder so ähnlich denkt die Familie meines Ex-Freundes Malte über mich. Ausgesprochen in meiner Gegenwart hat jedoch niemand etwas. Nach knapp 5 Jahren, als Malte in eine wiederkehrende Melancholie versank, zerbrach die Beziehung lautlos. Er wollte sich bei mir melden, mit mir reden doch als seine Familie durch Zufall von meiner „Beziehungsweise“ erfuhr, bekam ich stillschweigend über Dritte meine Sachen zurück. Direkt gehört habe ich weder von ihm, noch von seiner Familie etwas. Auch wie es ihm geht erahne ich nur. Lediglich losen Kontakt habe ich zu Personen, die mit seiner Familie in Verbindung stehen, dessen Meinung nicht ganz teilen, sich aber auch nicht einmischen möchten. Von diesen weiß ich, dass mein Name intern nach wie vor zur Sprache kommt – allerdings alles andere als positiv. Und so hänge ich, bildlich gesehen, wie ein Dämon über deren Küchentisch, der nach wie vor für das Böse der Vergangenheit verantwortlich gemacht wird.

Begegnet bin ich Malte wie fast schon bei neumodischen Romanzen üblich, im Internet. Ich hatte mich in den Jahren zuvor von Beziehung zu Beziehung und von Liebschaft zu Liebschaft gehangelt. Viel Erkenntnis hatte es mir nicht gebracht. Ich wusste nur, dass ich Monogamie nach wie vor nicht verstand. Nach den obligatorischen 2 – 3 Jahren Beziehung, verspürte ich jedes Mal aufs Neue, den Drang nach einem neuen Menschen, einer neuen Haut. Die Lust an den „alten Partner“ verlor ich jedoch nicht. Dennoch ist dies keine gängige Lebensweise. Denn wenn man den einen mag, ist es nur logisch, dass man den anderen weniger mag. So hinterfragte ich mich selber. Eine Antwort erhielt ich nicht. Ich habe einfach einen Dachschaden, dem war ich mir sicher.

Als ich auf Malte traf, war ich von Anfang an ehrlich. Obgleich die Anziehung von Beginn an groß war, und ich eigentlich mein Glück versuchen wollte, bat ich ihn – nach einigen „Knutschdates“ im Auto, in Bars und in einem Kaufhausflur – sich eine andere Freundin zu suchen. Ich hingegen suche mir einen guten Therapeuten. Doch er blieb hartnäckig. Wir fänden schon eine Lösung, wenn es so weit sei. Auch er war ehrlich zu mir und erzählte mir von seinen dunklen, traurigen Phasen die sich regelmäßig alle Jahre wieder ins Leben schleichen. Als ich ihn kennenlernte hatte er die letzten dunklen Wolken gerade weggeschoben.

Wir verbrachten eine gute Zeit miteinander, machten gemeinsame Fototouren, besuchten regelmäßig Konzerte und gingen zu zweit tanzen. Malte war ein Nerd wie er im Buche stand. Ein sehr hübscher, stattlicher Nerd. [1]Ich fragte Lisa, wie man Malte am besten beschreiben könne, ohne ihn richtig zu beschreiben. Zitat Lisa: „irgendwie sehen Geisteswissenschaftler bzw. Physiker oder auch Bachhalter alle so aus wie … Continue reading. Er war gerne für sich, doch genoss die Zeit mit mir und kam mehr als sonst unter Leute. Mich hingegen erdete er. Obgleich er in sich eher unsicher war und Konfrontation in jeglicher Form aus dem Weg ging, hatte er eine Ausstrahlung, die nicht nur mir, sondern auch anderen in seiner Umgebung Sicherheit gab. Malte verlieh dem Raum, in dem er war, eine warme Farbe. Traf ich mich gleichzeitig mit Personen, die sich eigentlich nicht verstanden, [2]Das tat ich aus Zeit- oder Chaosgründen häufiger war alles gut, solange Malte dabei war. Er neutralisierte die Stimmung, wie ein menschlicher Weichzeichnungsfilter oder wie Balu der Bär.

Woher er die Eigenschaft hatte, negative Dinge, unangenehme Konfrontationen und beißende Themen zu scheuen, weiß ich nicht. Nicht selten beobachtete ich jedoch, wie er unter seinen Dämonen der Vergangenheit litt. Gedanken an vergangene Begegnungen, Beziehungen und Freundschaften quälten ihn lautlos. Zum großen Thema wurde es natürlich nicht gemacht. Auch nicht bei seiner Familie, mit der ich mich von Beginn an gut verstand – Ein großer Haufen, verschiedenster, bunter Personen, mit einem starken Zusammenhalt, jedoch klassischer Ansichten was Beziehung, Ehe und Familiengründung angeht. Aus meiner Sicht bestand die Welt für Maltes Familie hauptsächlich aus Glückseligkeit, Liebe und Käseplatten für die ganze Familie. Ärger und Kummer wurde einfach der Eintritt verwehrt, Sorgen unter den Teppich gekehrt. [3]Dies ist vor allem mein subjektiver Eindruck

Das ich nicht ganz dem klassischen Bild einer „Schwiegertochter“ entsprach, fiel niemandem auf, Ich fand es aber auch nicht notwendig es jemandem zu erzählen, zudem hielt ich mich die ersten 2 Jahre an meine eigene Vorgabe endlich monogam zu sein. Würde es diesmal funktionieren? Hatte ich vielleicht doch den „Richtigen“ gefunden?

Zum Ende meines Studiums und nach den obligatorischen 2-3 Jahren Beziehung, wurde ich unbewusst immer gereizter und zickiger. Ich stritt mit Malte, der sich darauf jedoch wenig einlies. Es war eine Zeit, in der er sehr ausgeglichen und zufrieden wirkte. Irgendwann sprach er mich drauf an, dass er das Gefühl habe, ich verliere meine Farbe. Ich dachte drüber nach wurde mir bewusst, dass es der Zauber des Neuen, das ganz eigene Abenteuer war, was mir fehlte. Es war mir fast peinlich, es mir selber einzugestehen und unangenehm Malte davon zu erzählen. Er kannte dieses Gefühl nicht, ging jedoch verständnisvoll auf mich ein. Wir einigten uns darauf, dass ich in der nächsten Zeit ggf. mal eine Nacht nicht zuhause verbringen würde, ihm jedoch sofort nach einem Abenteuer davon erzähle.

Und wie es bei dem ein oder anderen nun mal so ist, geben sich die Leichen im Keller durchaus interessiert, schreibt man Ihnen nach Jahren eine eindeutige Nachricht. So traf ich mich ein paar Wochenenden später, mit einem Mann, den ich vor Jahren mal auf einer Party kennen gelernt hatte. Und ich muss sagen, der Sex war nicht aufregender als der, meiner eigenen Beziehung [4]was auch auf gar keinen Fall, der Fall sein soll, allerdings gab mir die Bestätigung eines anderen Mannes auf Anhieb meine Farbe zurück. Mit Malte redete ich ehrlich, aber nicht zu detailliert darüber. Für ihn war das Gefühl ungewohnt. In den Momenten, in denen er sich selber ganz gut gefiel, fand er das Wissen, dass ich gerade bei einem anderen Mann war, fast schon erregend. Zwischen uns entflammte ein neues Feuer und ich bekam neuen Antrieb für meine Abschlussarbeit. Häufig traf ich mich nicht mit andern Männern. Erinnern tue ich mich vor allem an einen Moment, als Malte nur ein paar Stunden nach einem „Ausflug“, mit dem Flyer des besagten Mannes, auf meinem Sofas saß und sich diesen interessiert anschaute. Ich hatte mich mit einem Mann in einem VW-Bus getroffen.[5]Der wie sich später heraus stellte, gar kein VW-Bus war, sondern stattdessen asiatischer Natur Die zwiespältige politische Genesung des Mannes, war mir zunächst gar nicht aufgefallen. Erst als ich mit meinem Auto auf meinem Parkplatz stand, berichtete ich Lisa, dass ich mich gerade mit einem politisch gefährlichen Mann getroffen hätte. Als mitten in diesem Satz, der Akku meines Handys versagte, machte sie sich solche Sorgen, dass sie sofort Malte und dessen Kumpel zu meiner Wohnung schickte. Im Gegensatz zu Lisa – welche zurecht böse auf meine waghalsige Aktion war – reagierte Malte amüsiert und keineswegs davon abgeschreckt, dass ich mich gerade mit einem anderen Mann zum Sex getroffen hatte. Doch wie es wirklich in ihm aussah, weiß ich nicht. Natürlich räumte ich Malte die gleichen Freiheiten wie mir ein. Nutzen tat er sie nicht. Er war einfach nicht der Typ dafür.

Als meine Abschlussarbeit in die heiße Phase überging, und ich fast jede freie Minute an meinem Pamphlet saß, suchte ich mir eine interaktive Ablenkung. Auf einem wieder auflebenden Portal der 2000er, wurde ich fündig. Ich trat ein in bunte, humorvolle und erotische Chatgruppen. Günter, der Gründer der „imaginären Bar“ des Ab18-Raums, bot mir zunächst einen Tisch und ein Kaltgetränk an. Später wurde ich seine Bardame und quatschte mit jedem freundlich, der sich in unsere Traumwelt verirrte. Malte freute sich mit mir, dass ich nun ein wenig lockerer wurde und nicht mehr wie ein eingesperrter Elefant mit wackelndem Kopf, vor meiner Abschlussarbeit saß.

Vor allem als ich auf einen wortgewandten Mann aus Mitteldeutschland traf, löste sich meine innere Schreibblockade auf. Wir unterhielten uns ganz unbefangen über dies und das, während ich nebenbei die richtigen Quellen zu meinen Thesen heraussuchte. Andrè war verheiratet, hatte ein Kind und eine bewegende Geschichte. Wir schrieben über ein halbes Jahr miteinander, bis in beiden der Wunsch nach einem Treffen aufkam. Malte, dem ich zunächst erklärte, dass dieser Kontakt rein freundschaftlich sei, bekam natürlich das steigende Interesse für den zweiten Mann mit. Mir war Malte nach wie vor wichtig, dennoch lag mir mein eigenes Kribbeln im Bauchnabel sehr am Herzen. Trotz einstündigen Monologs eines sehr guten Freundes von mir, [6]an einem sonnigen Freitag, auf einem Stapel Paletten im Sonnenschein dass was auch immer ich da gerade vorhabe, nicht gut gehen kann, traf ich mich mit dem fremden Mann, an einem fremden Ort, in einem fremden Hotel. Wir verbrachten ein intensives Wochenende mit viel Sex, Ravioli aus der Dose und tiefen Gesprächen. Dennoch war mir von Anfang an bewusst, dass André und mich, bezogen auf das Leben, das wir uns vorstellten und lebten, Welten trennte. Fuhr ich nach hause, freute ich mich nach jedem treffen wahnsinnig auf Malte.

Innerhalb von zwei Jahren traf ich mich ca. 10 mal mit André, dessen Ehefrau nach wie vor nichts von unserer Verbindung wusste. Ich, die versuchte meinen Freunden, Eltern und Malte gegenüber so offen wie möglich zu sein, fühlte mich bei diesen heimlichen Romanzen im Hotel, wie ein Greenpeace-Aktivist, der heimlich Pelz trägt. Umso wichtiger war mir, dass ich Malte die notwendige Aufmerksamkeit und Achtung entgegen brachte. Mal gelang es mir, mal nicht. Genauso hatte ich zeitweise das Gefühl, dass Malte sich mit der Dreierkonstellation angefreundet hatte. Es gab aber auch Momente, da war ich mir nicht sicher, wie ehrlich er auf meine Frage, ob alles gut sei wirklich reagierte.

Ich versuchte einen Spagat zwischen beiden Männern zu vollziehen, merkte jedoch nach und nach, dass ich hierbei deutlich an meine Kapazitätsgrenze ging – vor allem zeitlich. So gab es auch Momente, in denen ich an mir und meiner nicht-monogamen Gefühlswelt zweifelte. Ich fühlte mich anders, irgendwie fehlkonstruiert. Ich erzählte meiner Mutter davon. Sie versuchte auf mich einzugehen, doch machte sich hauptsächlich Sorgen, ich könne mit meiner Art im Alter allein dastehen. Die Aussage, ich könne zwei Personen gleichzeitig lieben, war für sie schwer zu greifen. Ich weiß, dass sie es nicht böse meinte, doch mit der Aussage „für mich und deinen Vater wäre es einfacher du wärest lesbisch“ brachte sie mich noch ein Stück mehr ins Wanken. Lisa und andere enge Freunde standen ununterbrochen hinter mir, teilten mir jedoch auch mit, dass sie an der Stabilität meines Kartenhauses zweifelten. Wer mich letztendlich fing war Malte. Er nahm mich in den Arm, küsste mir auf die Stirn und riet mir, nicht zu sehr an mir selber zu zweifeln. Ich wäre gut so wie ich bin. Meine Mutter sei zwar ein guter Ratgeber, aber nicht bei diesem Thema.

Der Kontakt zu Andrè intensivierte sich trotz der Entfernung fast jeden Tag merklich. Wir telefonierten unter der Woche jeden Morgen und jeden Nachmittag. Er wählte meine Nummer auf dem Weg zur Arbeit und sobald seine Frau auch nur 5 Minuten aus dem Haus war. Neben meinem Job mit vielen Überstunden, kümmerte ich mich fast ausschließlich um beide Herzmänner. So nahm ich mich Mittags der familiären Baustellen von André an und ging Abends auf eine Geburtstagsfeier von Maltes Familie. Dieser Zustand hielt eine ganze Weile an. Auch während meines Urlaubes stand ich morgends auf um mit André zu telefonieren. Malte beobachtet dies meiner Ansicht nach, mit gemischten Gefühlen. Während André Malte ausgesprochen offen gegenüber stand, gab sich Malte an einem Tag aufgeschlossen, an dem andern zurückhaltend. So sprachen die beiden an manchen Tagen während eines Telefonates kurz miteinander, und gaben mir an anderen Tagen Tipps für die aktuelle Problematik des jeweils anderen mit. War ich für ein Wochenende mit André unterwegs, vermutete ich Malte vor seinem PC in der schlecht beleuchteten Wohnung und konnte ihn auch nur schwer erreichen. Meine Freude auf ihn nach ein paar Tagen mit André sank zu keiner Zeit. Ich freute mich auf Malte wie auf einen großen Schokoladenkuchen.

Ich liebte beide und begehrte beide. Dennoch war ich von Andrés wachsender Mühe und Zuneigung genauso angetan, wie mich Maltes zurückhaltenden Art abgeschreckte. Trotz Hinweis von Lisa und weiteren Freunden, ignorierte ich, dass meine Gefühle zu André immer intensiver wurden, Malte dagegen immer stiller. Dennoch gab es auch zwischen uns noch nahe Momente. Während eines gemeinsamen Städtetrips im Sommer, überlegte ich laut, ob es es nicht eine gute Idee wäre, wenn Malte und ich heiraten würden. Ich vermutete, dass dies auch Maltes Wunsch war. Doch ich lies diesen Gedanken schnell wieder – genauso laut – fallen. So versetzte ich Malte wahrscheinlich einen immensen Stich. Ich hätte zumindest leise denken können. Dafür könnte ich mich noch heute ohrfeigen.[7]Freunde erzählten mir später, das er mir schon gerne einen Heiratsantrag gemacht hätte. Aufgrund meiner Haltung der Ehe gegenüber, lies er es jedoch bleiben

Als sich das Jahr dem Ende näherte, trennte sich André von seiner Frau. Auch in Malte ging – unabhängig davon – innerlich eine Veränderung vor. Die bekannte Melancholie, von der er mir zu Beginn unserer Beziehung erzählte, schlicht sich ein. Ich merkte, wie der Mann in meiner Nähe mir immer mehr entglitt. André hingegen konnte ich nun häufiger sehen und tat es auch. Der Großteil von Maltes Familie wusste von all dem nach wie vor nichts. Nebenbei erzählte ich seinen beiden Schwestern von meiner Gefühlswelt, dem zweiten Mann und Maltes Melancholie. Sie taten verständnisvoll, aber ob sie mir zwischen Tür und Angel wirklich zuhörten, noch mich verstanden weiß ich nicht. [8]Wahrscheinlich war mein Ansatz zwischen Tür und Angel schon nicht der eleganteste.

Im Frühjahr wurde dann ein kleines Häuschen zum Verkauf freigegeben, über das Maltes Familie schon seid über einem Jahr sprach. Sie versuchten mich zu überreden, doch dort mit ihm einzuziehen. Ich hingegen fand es wichtiger, dass er sich seiner dunklen Wolken annahm und wieder Licht in seine Gemütslage brachte. Doch davon wussten vor allem seine Eltern nichts. Während Malte dazu verleitet wurde, neue Möbel für sein Häuschen zu kaufen, bat André mich um ein längeres Gespräch. Er hätte eine Frau in seiner Nähe kennengelernt, mit der er sich eine Zukunft vorstellen könnte. Der Kontakt zwischen uns müsse nun deutlich abnehmen.

Liebe zu dritt kann grundsätzlich funktionieren. Bei mir / uns waren jedoch schon die Rahmenbedingungen schwierig. Eigentlich spielten die zwei Männer das Spiel nur meinetwegen mit . Während Malte sich meinem Liebeskummer annahm und, wann immer ich ihn brauchte, an meiner Seite war, konnte ich mich so gar nicht auf seine Umzugspläne konzentrieren. Statt mir das kleine Häuschen einmal anzusehen, lenkte ich mich ganz offen mit haltlosen Bekanntschaften ab. Für mich gab es nur André als Thema. Tag ein Tag aus stand ich neben mir und daneben meine Konzentration. Da halfen auch nicht der alte Joint von meinem Nachbarn und das niedrig dosierte Retalin des Sohnes meiner Freundin ;-).

Ich bin mir bewusst, das ich an Maltes dunklen Wolken nicht ausschließlich schuld bin, geholfen habe ich ihm mit meiner Art aber auch nicht, obgleich er mir nach wie vor wichtig war. Der Gedanke, dass ihn und mich doch mehr trennte als ich mir eingestand, war da. Vielleicht hätte ich irgendwann die Art der Beziehung zwischen uns verändert, verlassen hätte ich ihn jedoch nicht.[9]Ich wollte ihn unbedingt als Mensch in meinem Leben behalten In einem unglücklichen Moment, erzählte ich Maltes Familie von seinem Gemütszustand und stieß ihnen damit vor den Kopf. Es war der Tag, als ich nach diesem Telefonat weinend neben der Reinigungsfrau auf unserem Bürofußboden saß. [10]Am gleichen Tag bekam ich von Freuden einen Holzflaschenöffner in Penisform geschenkt. Ich weiß bis heute nicht, was das sollte. Doch noch immer liegt das gute Stück zeigefreudig auf meiner … Continue reading Am Tag des Umzuges in das Häuschen, war ich innerlich blockiert. Ich telefonierte mit Malte. Er meinte wir würden das alles schon wieder hin bekommen nur bräuchte er jetzt Ruhe. Er bat mich um Zeit. Er würde sich bei mir melden.

Geduld ist leider nicht meine Stärke. Immer wieder suchte ich zu ihm und seiner Familie Kontakt. Bis zum heutigen Tage bereue ich, dass ich nicht von Beginn an aufrichtig war und der Familie von meiner Art zu lieben nichts erzählt habe. Hätten Sie es verstanden? Auch weiß ich bis heute nicht, ob Malte immer ehrlich zu mir war oder ob er mich nur halten wollte. Gehört habe ich von ihm nichts mehr. Ich vermute, dass auf die Frage, was denn eigentlich zwischen uns vorgefallen sei irgendwann das lose Gespräch zwischen mir und seinen Schwestern wieder hoch kam. Gemäß des „Stille Post- Prinzips“ liegt es nur nahe, dass vermutlich gedacht wurde, ich hätte Malte betrogen. Unehrlich war ich ihm gegenüber nie.

Im Herbst traf ich dann auf dich, Tom. Wir redeten viel über unsere jeweils zerbrochene Beziehung, unsere Fehler aber auch über schöne Momente der Vergangenheit. Parallel dazu versuchte ich endlich herauszufinden, was mit mir eigentlich nicht stimmte. Ich besuchte einen Tiefenpsychologen, eine freie Gesprächstante und einen gut aussehenden Verhaltenstherapeuten mit Dreitagebart. Während der Tiefenpsychologe mir beim ersten und einzigen Gespräch eröffnete, dass ich eine tiefgreifende psychische Störung hätte, [11]Reset auf Werkseinstellung wäre wahrscheinlich seine Behandlungsmethode gewesen. Gut zu diesem Mann gehen wahrscheinlich auch eher Personen, die sich und andere umbringen wollen und nicht welche, … Continue reading redete die freie Therapeutin fast wie eine Freundin mit mir. Dafür habe ich u.a. Lisa, dafür muss ich kein Geld ausgeben. Der Verhaltenstherapeut mit dem lockigem Haar und den Dreitagebart diagnostizierte mir hingegen schlichtweg ein Aufmerksamkeitsdefizitdingsbums mit chronischer Langeweile. Eine offene Beziehung wäre da schon der richtige Ansatz. Meine Herangehensweise wäre allerdings nicht optimal gewesen.

Seitdem ist viel passiert. Du und ich führen eine offene Beziehung auf Augenhöhe und haben eine kleine Tochter. Wir räumen uns gegenseitig die gleichen Freiheiten ein und nutzen sie auch. Unsere jeweils zurückliegende Beziehung hat uns einiges gelehrt. Dennoch begegnet mir Malte noch heute in meinen Träumen. In diesem hat auch er ein neues Leben begonnen, eine Familie gegründet. Er lächelt mir versöhnlich zu und freut sich, mich auf neutralem Grund wieder zu sehen. In der Realität ist es anders. Eine Aussprache weder mit ihm noch mit seiner Familie hat nie stattgefunden. Dieses stillschweigende Ende war für mich seither das lauteste![12]Zu André habe ich übrigens mittlerweile wieder guten Kontakt. Er ist noch immer mit seiner Freundin zusammen Am Rande wurde mir von außenstehenden Personen angedeutet, dass Malte noch immer von seiner Familie komplett abgeschottet wird. Auch bei gemeinsamen Freunden hat er sich seither nicht mehr gemeldet. Wenn er mir im Traum begegnet, befürchte ich, dass auch ich nicht ganz aus seinen Gedanken verschwunden bin. Die Frau, die er einst heiraten wollte, hat nun einen Platz als weiterer Dämon eingenommen. Dabei wünsche ich ihm, dass er sich von allen Ängsten der Vergangenheit frei machen kann und sein Glück findet. Er fehlt mir nach wie vor jeden Tag. Mit dir Tom, kann ich darüber offen reden. Du bestärktest mich zudem diesen Text als Abschied zu schreiben.

Kurz vor der Geburt, tauchte bei Spotify aus heiterem Himmel ein kleines Feld mit Musik, die Malte in diesem Moment wohl gerade hört auf. Ein kleines Lebenszeichen, wenn auch kein großes und wahrscheinlich auch kein bewusstes. Doch wer Musik hört, hängt wahrscheinlich nicht unter dem Dachboden und das beruhigt mich ungemein.

Malte du fehlst mir! Ich vermisse oft deine erdende Art und die Ruhe die du ausstrahlst. Ich hoffe, es geht dir gut! Ich liebe vielleicht anders, vielleicht liebe ich auch nicht nachvollziehbar, aber ich höre nicht auf zu lieben – auch nach vielen Jahren nicht. Hast du irgendwann das Bedürfnis mich zu sehen egal ob du mich beschimpfen oder oder einfach nur ansehen möchtest, werde ich da sein, auch mit 70 noch. Ich danke dir für eine liebevolle Zeit, dafür dass du immer für mich da warst und ich entschuldige mich dafür, dass ich es nicht war. Ich war nicht die Frau, die an deine Seite gehört. Ich wünsche dir von Herzen, dass du sie irgendwann findest und sie deine Dämonen verjagt. Alles Gute Malte, auch wenn du gar nicht Malte heißt. Ich schreibe diesen Text anstelle der Worte, die wir uns nicht mehr sagen und schließe auch mit der Vergangenheit ab. Den kleinen Spotify-Button lass ich aber bestehen und schmunzle manchmal über die Musik, die du gerade hörst.

References

References
1 Ich fragte Lisa, wie man Malte am besten beschreiben könne, ohne ihn richtig zu beschreiben. Zitat Lisa: „irgendwie sehen Geisteswissenschaftler bzw. Physiker oder auch Bachhalter alle so aus wie er
2 Das tat ich aus Zeit- oder Chaosgründen häufiger
3 Dies ist vor allem mein subjektiver Eindruck
4 was auch auf gar keinen Fall, der Fall sein soll
5 Der wie sich später heraus stellte, gar kein VW-Bus war, sondern stattdessen asiatischer Natur
6 an einem sonnigen Freitag, auf einem Stapel Paletten im Sonnenschein
7 Freunde erzählten mir später, das er mir schon gerne einen Heiratsantrag gemacht hätte. Aufgrund meiner Haltung der Ehe gegenüber, lies er es jedoch bleiben
8 Wahrscheinlich war mein Ansatz zwischen Tür und Angel schon nicht der eleganteste.
9 Ich wollte ihn unbedingt als Mensch in meinem Leben behalten
10 Am gleichen Tag bekam ich von Freuden einen Holzflaschenöffner in Penisform geschenkt. Ich weiß bis heute nicht, was das sollte. Doch noch immer liegt das gute Stück zeigefreudig auf meiner Fensterbank
11 Reset auf Werkseinstellung wäre wahrscheinlich seine Behandlungsmethode gewesen. Gut zu diesem Mann gehen wahrscheinlich auch eher Personen, die sich und andere umbringen wollen und nicht welche, die viel zu spät mit strahlendem Lächeln in seine Praxis stolpern
12 Zu André habe ich übrigens mittlerweile wieder guten Kontakt. Er ist noch immer mit seiner Freundin zusammen
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