Die Offene Beziehung – Ein Taubenschlag?

Es gibt so ein paar gängige Namen für Beziehungsmodelle – monogame Beziehungen, Poly-Beziehungen, serielle Monogamie, Offene Beziehung und noch einige mehr. In sich gelebt, ergeben sich da sicher noch viele, viele individuell definierte Modelle. Letztlich sind es immer Menschen, die aufeinandertreffen und sich einfach gerne individuell definieren, auch als Paar.

Natürlich gibt es auf dieser Welt auch Eremiten, Menschen, die einfach gerne für sich bleiben wollen, aus welchen Beweggründen auch immer. Ich würde aber behaupten, dass die Mehrheit der Menschen sich nach zwischenmenschlichen Beziehungen sehnen und diese auch immer wieder für sich suchen, ob nun bewusst oder unbewusst. Doch wie ist das bei offenen Beziehungen?

Also auch hier gibt es sicher gewaltige Unterschiede von Beziehung zu Beziehung. Es hat sicher auch etwas mit Lebensphasen zu tun und wie viel Zeit man ganz einfach zur Verfügung hat, mit weiteren Menschen Beziehungen einzugehen. Möglicherweise ist es wohl auch eine Frage der Persönlichkeit. Es gibt Menschen, die generell schon sehr häufig mit Menschen in Kontakt treten und so mehr Leute kennenlernen. Andere wiederum finden vielleicht nur ab und an mal jemanden für ein Abenteuer, eine Nebenbeziehung oder auch für eine Freundschaft ohne „plus“.

Bei uns Isabel ist das nun so, dass wir uns als Hauptbeziehung (Ankerbeziehung) definieren. Gerade mit einem Kleinkind stelle ich mir eine Poly-Beziehung, bei der alle gleichberechtigt zusammenwohnen, auch eher kompliziert vor. Muss es wahrscheinlich gar nicht, aber da bin ich dann vielleicht auch noch nicht weit genug. Aber wie ist das nun mit den Menschen, die wir außerhalb unserer Beziehung kennenlernen?

Die Arten und Formen von offenen Beziehungen sind vielschichtig und es gibt viele Intentionen und Motivationen. Für mich ist es das Neue! Klar, dass ist spannend. Ich finde es spannend neuen Menschen zu begegnen und sie und ihre Geschichte kennenzulernen. Im übertragenden Sinne besteht meine Bandbreite in der Interaktion mit neuen Bekanntschaften von Minigolf bis Sex. Zwischen Menschen ist halt alles eine Frage der Sympathie.

Natürlich freue ich mich, wenn es zwischen mir und einem neuen Kontakt funkt, aber es muss natürlich nicht passieren. Doch klar ist, dass es schon auch vordergründig um Sex geht. Es ist natürlich aufregend, wenn man mit jemanden so ganz neues intim wird. Ich finde es einfach spannend zu erleben, wie sich der Sex mit anderen anfühlt, wobei ich natürlich sehr gerne diesen auch mit dir erlebe Isabel.

Es ist natürlich ebenso eine Inspirationsquelle. Neue Erfahrungen zu sammeln und diese dann auch ggf. Teil der eigenen Beziehung werden zu lassen. Doch wie ist das nun mit den Bekanntschaften, oder Nebenbeziehungen in einer offenen Partnerschaft? Sicher gibt es auch hier ganz unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass immer mal Menschen in mein Leben treten und auch bestenfalls eine Zeitlang bleiben, doch dass die Halbwertzeit von Nebenbeziehungen eher kürzer ist.

Es ist ja nicht so einfach. Allein schon das Kennenlernen. In einem anderen Text hatte ich dazu geschrieben, dass ich denke, dass Dating auch Phasen unterliegt. Ich glaube, es muss in seine ganz persönliche Zeit hineinpassen, damit da etwas passiert. Ist man nicht frei im Kopf und bereit, sich auf neue Menschen einzulassen, dann wird Dating nicht von Erfolg gekrönt sein, auch wenn man noch so viel in Dating-Apps herumstöbert. Es müssen einem aber auch Menschen über den Weg laufen, die offen für jemanden, der sich in einer offenen Beziehung befindet, sind. Das ist ja schon nicht ganz so selbstverständlich. Denn wenn ich meine eigenen Worte als Maßstab nehme und die Hypothese aufstelle, dass doch im Grunde „fast“ jeder Mensch jemanden für sich sucht, dann muss ich auch die andere Seite verstehen. Also jemand findet mich interessant und ist bereit sich auf mich einzulassen, obwohl ja letztlich von vornherein klar ist, dass es Grenzen geben wird in der Tiefe der Beziehung und in der emotionalen Verfügbarkeit auf meiner Seite. Da ich ja nun derjenige bin, der in einer offenen Beziehung lebt, werde ich erstmal die Gegenseite nicht kennenlernen.

Ich stelle mir das als Single nicht immer einfach vor. Klar, wenn es einem gut geht und man in einer guten Phase seines Lebens ist, dann ist es vielleicht einfacher, sich auf jemanden einzulassen, bei dem man weiß, dass es entsprechende Grenzen gibt, doch spätestens dann, wenn sich meine eigenen Lebensumstände ändern und ich eigentlich jemanden bräuchte der mir auch emotional eine dauerhafte Stütze sein kann, dann kann es schon etwas schwieriger werden.

Soll heißen, es ist immer ein Umdenken möglich. Menschen entwickeln sich und das Rad des Lebens dreht sich immer weiter. Menschen wollen plötzlich eine feste monogame Beziehung und verschwinden dann schon mal aus meinem Leben. Lebensumstände ändern sich, zum Beispiel ein neuer Job (vielleicht geografisch ganz woanders) und schon passt es nicht mehr. Und hier muss man, glaube ich, beide Seiten versuchen zu verstehen. Zum einen die Menschen, die sich von außen in solche Beziehungskonstrukte hineinwagen, und die, die weitere Menschen in ihre Beziehung hinein lassen.

Sympathie und Begehren findet trotz der Konstellation Nebenpartner zu jemanden in einer offenen Beziehung natürlich beiderseitig statt. Also nicht nur der Nebenpartner lässt sich auf jemanden ein und lässt diesen in sein Leben, sondern umgekehrt ist es genauso. Klar hat derjenige, der in einer offenen Beziehung lebt noch seine Ankerbeziehung, doch auch dieser Mensch ist ja mit seinen Gefühlen dabei. So geht es mir zumindest. Ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass Menschen zum Teil einfach verschwinden und ob nun Ankerbeziehung hin oder her, es reißt im ersten Augenblick auch bei mir eine Lücke.

Ich glaube ja, Menschen sind nicht unbedingt für die Monogamie gemacht, aber möglicherweise sind sie es auch nicht für ein Zusammenleben mit mehreren gleichzeitig. Bei allen im Leben gibt es Ausnahmen, aber ist es nicht auch allzu menschlich, dass man bestimmte Menschen lieber mag als andere, oder aber mit einigen besser zurechtkommt als mit anderen. Es soll da draußen ja auch echte Beziehungsanarchisten geben. Mir ist noch keiner persönlich begegnet, aber mich würde brennend interessieren, wie die Gefühlswelt dieser Menschen ausschaut. Was will ich jetzt damit ausdrücken?

Du Isabel und ich wir führen eine offene Beziehung, wobei wir uns beide schon in bestimmten Punkten zu unseren Nebenbeziehungen abgrenzen. Das stelle ich mir für Singles die sich in solche Gefilde wagen auch wirklich nicht einfach vor. Vielleicht auch manchmal so wie das „fünfte Rad am Wagen“. Es kann alles ganz toll sein, aber vielleicht auch nur unter optimalen Bedingungen. Also wenn sich Erwartungen oder Ansprüche nicht so sehr verändern. Doch ich kann einem Nebenpartner den Gedanken nicht übelnehmen, dass das ja noch nicht alles für ihn gewesen sein kann.

Hier kommen wir dann auch zum, wie ich persönlich finde, schwierigen Teil mit NebenpartnerInnen in einer offenen Beziehung. Und hier muss man noch fairerweise vervollständigen „mit Kind“! Meine Erfahrung ist, dass der Faktor Zeit eine der wesentlichen Herausforderungen ist. Date ich Singles, haben diese vielleicht gar nicht mal mehr Zeit, aber sie sind ein Stück weit flexibler. Mir ist auch aufgefallen, dass einige auch einfach mehr Zeit investieren können/wollen, als es mir selber möglich ist. Eine Diskrepanz, die ggf. auf Dauer frustrieren und einmal mehr das Gefühl schüren kann, dass diese Beziehung zu wenig verbindlich ist. Date ich Menschen, die genauso wie ich, in einer offenen Beziehung/Ehe leben, kommt erst recht der Faktor Zeit ins Spiel. Dann stehen sich zwei eher unflexible Seiten gegenüber, die es nicht richtig schaffen, gemeinsame Freiräume zu schaffen.

So kann es schon sein, dass Nebenbeziehungen von mir keine lange Halbwertszeit haben, oder wo es mit Kontakten noch nicht mal zu einer Begegnung kommt, weil sich die Protagonisten der eigenen Kapazitätsknappheit gar nicht richtig bewusst sind, oder es ganz einfach nicht wahrhaben wollen. Ich merke für mich, dass das alles sehr frustrierend sein kann. Und es kommt schon mal der Eindruck auf, dass es zugeht wie in einem Taubenschlag – ein ständiges kommen und gehen!

Doch muss man hier nicht einfach entspannt und locker bleiben? Muss man nicht gerade als derjenige, der in einer offenen Beziehung lebt, nicht schon weiter im Geiste sein? Ein Satz den ich glaube ich auch schon mehrfach in meinen Texten geschrieben habe ist, dass wir ja als Individuen niemanden gehören. Menschen treffen Entscheidungen in ihrem Leben und versuchen so ihr Leben in die von ihnen gedachten Bahnen zu lenken. Dadurch kreuzen sich Wege und Wege gehen auseinander. Doch auch wenn man noch so aufgeklärt tut, will man diesen Fakt manchmal nicht wahrhaben.

Das Leben läuft weiter und jeder Mensch läuft mit. Wege kreuzen sich, verlaufen parallel und gehen wieder auseinander. So einfach ist das! Wirklich? Doch wir Menschen sind empfindsame Wesen und daher ist es vielleicht nicht so einfach und deswegen hängen wir manchmal an etwas und können schlecht loslassen. Das macht uns wahrscheinlich menschlich. Das bringt mich jetzt zu den Punkt, den wohl alle schon selber mal erwähnt oder zumindest gehört haben. Es geht auch vielmehr um den Moment. Genießen wir ihn, denn Momente lassen sich nicht festhalten und kommen so in dieser Form nicht noch mal wieder! Menschen kommen in unser Leben und gehen auch mal wieder… genießen wir den Moment/die Zeit mit unseren Begegnungen und sammeln schöne Erinnerungen!

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