Emotionales Gedankenwirrwarr zu Nebenbeziehungen! 

Zu Beginn starte ich mit einer Frage. Ist die offene Beziehung nicht eigentlich ein höchst egoistisches Modell?

Du Isabel und ich wir mögen unsere Art zu leben. Wir fühlen uns gut und wohl in unserer offenen  Beziehung. Neue Begegnungen sind für uns Aufregung und Begeisterung. Wir tauchen gerne in neue Welten ein und lernen gerne neue Menschen kennen. Uns geht es nicht nur um Sex, aber das führt ja unweigerlich dazu, dass man schon eine tiefere Verbindung zu seinen Nebenbeziehungen aufbaut.

Uns beiden ist es wichtig, dass wenn neue Verbindungen entstehen, dass sich alle Seiten wohlfühlen. Hier kommt für mich eine zweite Frage auf. Inspiriert wurde ich dabei durch einen Podcast mit psychologischem Hintergrund. Offene Kommunikation findet auf jeden Fall zwischen uns statt. Wir sagen uns, wenn wir mit einer Situation nicht so klarkommen und wir uns nicht wohl damit fühlen. Doch wie ist das mit den Nebenpartnern?

Wir sind offen zueinander, doch wir können das nicht immer von Nebenpartnern annehmen. Die Gefühle von Menschen sind vielschichtig. Es gibt unterschwellig immer Wünsche und Begehren, die vielleicht nicht sofort ausgedrückt werden können. Jedem ist das vermutlich bekannt, dass wenn einem etwas oder jemand wichtig ist, dass man ganz anders agiert, als wenn man neutrale Gefühle hat. Auf jeden Fall können wir Isabel schlechter Menschen einschätzen, die uns neu begegnen. Man redet vielleicht auch noch nicht so offen miteinander, wenn man sich noch nicht so gut kennt. Dies birgt die Gefahr, dass nicht so offen kommuniziert wird, wie es vielleicht nötig wäre.

Isabel, du und ich wir haben ein paar Absprachen und dadurch, dass wir gegenseitig von Anfang an prüfen, was eine neue Begegnung, von einem von uns, mit uns macht, kommunizieren wir hier sehr klar miteinander. Außerdem kommunizieren wir unsere Art zu Leben und was von uns zu erwarten ist und was nicht, auch unseren neuen Begegnungen. Doch manchmal ist es schwierig festzustellen, was diese Menschen, die neu in unser Leben treten und in unser offenes Beziehungskonstrukt, ob sie damit auch wirklich fein sind. Vielleicht können unsere frischen Begegnungen das auch noch gar nicht.

Gerade die anfängliche Aufregung und Spannung, lässt einen vielleicht manchmal auch nicht ganz klar denken. Man möchte diesen Moment nicht zerstören und will ihn eher festhalten und genießen, auch wenn es vielleicht nicht das Richtige ist. Gerade wo wir beide nicht einfach nur den Sex mit neuen Begegnungen suchen, sondern auch den Menschen dazu kennenlernen wollen, suggeriert das ggf. den Eindruck, dass eine emotional tiefere Verbindung möglich ist, als wir bereit sind zuzulassen. Gerade hier sehe ich schon ein gewisses Potential, wo die Kommunikation falsch laufen kann.

In einen unserer ersten Texte brachten wir das Wort „Komplexmenschen“ auf. Menschen die sich ggf. mehr Nähe wünschen, als es für uns möglich ist, auf diese Wünsche einzugehen. Doch wir Isabel sind die beiden Menschen mit der Ankerbeziehung. Wenn wir uns nun in der ersten Aufregung sehr um Menschen bemühen und wir erst später realisieren, dass wir Gefühle nicht so erwidern können, wie es unsere Begegnung ggf. wahrgenommen hat, dann kann das schon sehr ernüchternd sein. Möglicherweise verletzen wir ggf. die Gefühle unserer Begegnungen, obwohl das nun wirklich nicht unserer Absicht war.

Vielleicht ist das hier aber auch alles zu kompliziert gedacht und die Menschen wollen einfach diese Aufregung des Neuen genießen und in diesen Moment eintauchen. Vielleicht geht es bei diesem Moment noch gar nicht um das was werden könnte. Das wäre gut so. Letztlich müsste ich natürlich meine Fragestellung auch noch aus einem anderen Blickwinkel stellen. Also ist ein monogames Beziehungsmodell nicht eigentlich auch egoistisch?

Menschen in monogamen Beziehungen erwarten eine höhere Exklusivität von ihrem Partner, gerade wenn es um Gefühle geht, aber vor allem wenn es um Intimität geht. Wie heißt es oft so schön… „schauen ist erlaubt, aber gegessen wird zu Hause!“. Und das ist wahrscheinlich noch tolerant, denn meine persönliche Erfahrung ist, dass selbst schauen ein Problem werden kann. Ich will aber nicht von meinen Erfahrungen ausgehen. Selbst wenn in monogamen Beziehungen eine gute Kommunikation gepflegt wird, dann möchte ich einmal davon ausgehen, dass Menschen vielschichtige Bedürfnisse haben und dass es die Möglichkeit gibt, dass deren Partner nicht alle diese Bedürfnisse erfüllen können. Monogame Beziehungen entstehen aus meiner Sicht heraus dann, wenn Menschen sich bewusst füreinander entscheiden und diese Entscheidung wird nicht mit dem ersten Kennenlernen getroffen, sondern dann, wenn man die erste Kennlernphase zusammen durchlebt hat und man weiß, was man von seinem Partner erwarten kann und was eben nicht. So die Idealvorstellung. Also man geht dann diesen „Kompromiss“ bewusst ein.

An dieser Stelle kommt mir dann wieder die Fragestellung in den Kopf, ob nicht auch monogame Beziehungen egoistisch sind? In dem Podcast, der mich zu diesem Text inspiriert hat, kam von der gesprächsführenden Person die Fragestellung auf, ob ihr gegenüber Angst vor richtiger Bindung hat. Doch was ist denn per Definition eine „richtige“ Bindung? Wenn eine richtige, tiefgehende Verbindung nur über körperliche Exklusivität definiert wird, wäre mir das zu dürftig. Und dann wäre aus meinen Augen die monogame Lebensweise ebenfalls egoistisch, weil sie darauf abzielt, ggf. Wünsche und Bedürfnisse von Menschen in monogamen Beziehungen ihrer Individualität zu berauben.

Anders formuliert, habe ich den Eindruck, dass Menschen in offenen Beziehungen, als eher Bindungsgestört wahrgenommen werden. Ich halte das für nicht angebracht. Es gehört aber sicher wieder zum Schubladendenken. Ich will ehrlich sein, es wird ganz sicher Menschen in offenen Beziehungen geben, die Probleme mit Bindung haben. Genauso gibt es Menschen in alternativen Beziehungsformen, die ihren Partner (ihr zu Hause) gefunden haben. Menschen, die sogar den Bund der Ehe eingehen und sich dennoch alle Freiheiten lassen. Aus meiner Sicht gibt es hier nach wie vor viel schwarz, weiß Denken. Ist es am Ende nicht am wichtigsten, dass sich die richtigen Menschen treffen? Man sollte sich doch gegenseitig guttun, die Frage der Gestaltung zum Aufbau einer Beziehung wird doch letztlich immer sehr individuell „verhandelt“. Es treffen Wertevorstellungen aufeinander und werden miteinander abgeglichen. Letztlich sollte von jedem einzelnen Menschen die Entscheidung bewusst getroffen werden, wie er leben möchte (leider haben bei weitem nicht alle Menschen auf dieser Welt diese Wahl) und das schließt für mich auch ein, dass auch die Entscheidung für eine Beziehungsform bewusst getroffen wird. Egal wie Menschen am Ende zusammenleben und ob sie sich einer klassisch, in der Gesellschaft anerkannten Beziehungsform zusammentun, oder eben eine alternative Beziehungsform wählen, Kommunikation wird immer am wichtigsten sein.

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