Im letzten Sommer bin ich Torben begegnet. Seither ist er neben dir, Tom mein einziger „Knuffelkontakt“ [1]Belgischer Umgang mit Kontakten während der Corona-Zeit
Den ersten Sex hatte Torben mit mir. Das erste Mal den anderen Körper zittern sehen, das erste Mal keuchende Küsse austauschen und das erste Mal ineinander verschlungen sein. Unsere Treffen wurden von Mal zu Mal intensiver. Torbens Unsicherheiten sind fast wie verflogen. Wir begegnen uns auf Augenhöhe – von Treffen zu Treffen ein Stückchen intensiver. Wir sehen uns alle 3-5 Wochen. Dazwischen schreiben wir nicht viel, nur ab und an, dass wir uns auf das kommende Treffen freuen. Wichtig ist, dass es beiden gut geht und man sich vom Kopf her auf den anderen einlassen kann.
Wir sind für heute verabredet. Ich sage das Treffen ab.
Meine letzte Woche war miserabel. Nach über einem Jahr Elternzeit bin ich zurück im Beruf. Es fühlt sich nicht nur an, als hätte man mich nicht vermisst, ich bekomme zunächst auch keine vergleichbaren Aufgaben. Lediglich „Hilfstätigkeiten“ füllen meinen Tag.[2] Soviel zum „feministischen Kampftag, wie manche den 08.03. nennen
Intuitiv stelle ich nicht nur meine Leistung der letzten Jahre komplett in Frage, auch meine Figur kann ich gerade nicht leiden und meine Texte und Bilder kommen mir aus dem Hals heraus.
Gerade habe ich das Gefühl, dass ich nur mit mir selber zufrieden bin, wenn ich die Aufmerksamkeit bekomme, mit welcher ich rechne – das Lob, dass ich erwarte. Wir alle brauchen Aufmerksamkeit und Bestätigung, dass ist vollkommen in Ordnung. Manchmal kommt es mir allerdings so vor, als habe ich nur Energie, wenn jemand mich für die Sache, die ich gerade tue lobt, oder mir ein Kompliment macht. Dies betrifft nicht nur die Arbeit, sondern auch die Kunst, Dating und sogar den Sex. Schenkt man mir Begeisterung, wachse ich über mich hinaus. Ist mein Lobkonto leer, übernimmt der innere Schweinehund die Herrschaft über Geist und Körper, lenkt sich ununterbrochen mit dem Handy ab und futtert Schokolade. Das Selbstvertrauen sitzt währenddessen auf der Straße und wartet auf den nächsten Bus.
Bin ich ein Aufmerksamkeitsvampir auf der Suche nach Bestätigung? Nach einem „Schön, dass du wieder da bist“? Nach einem „Toll siehst du aus“? Nach einem „Coole Bilder, großartige Texte“?
Die offene Beziehung hat dir und mir in diesen zwei Jahren mehr Stärke und Selbstvertrauen verliehen, als wir in den Jahren zuvor überhaupt sammeln konnten. Wenn einer von uns unterwegs war, lernte der andere, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Intuitive Fragen, ob man doch nicht reiche, oder ob der/diejenige bei dem der Partner gerade war, doch attraktiver, interessanter, toller sei als man selber, konnte man von selbst den Gar ausmachen.
Doch zwischendurch vergessen auch du und ich unseren eigenen Selbstwert. Die Umgebung wird grau und Dinge die man sich vorgenommen hatte, kleben nun wie ein unliebsam gewonnenes Kaugummi unter dem Schuh. Die Motivation vergisst ihren eigenen Namen und mir fällt es schwer, einen Text zu schreiben den drei Leute lesen, ein Bild zu malen, welches vier anschauen und einen Job zu machen, bei dem höchstens einer im Vorübergehen nickt. Selbstzweifel fordern die Trägheit zum Tanzen auf.
Doch warum ist es mir so wichtig was andere über mich denken? Warum bin ich so verunsichert, wenn andere, negativere Reaktionen kommen als ich es erwarte? Vielleicht hat dies mit veralteten Werten aus der Kindheit zu tun. Schon früh bekam ich das Gefühl, dass Erfolg mit Lob zu tun hat. Wird man gelobt ist man erfolgreich, bleibt Lob hingegen aus, ist man gescheitert – so damals die logische Schlussfolgerung. Ich glaube nicht, dass mir das so direkt kommuniziert wurde. Ich denke diese Gefühl hat sich in den Jahren durch Beobachtungen und Eigenwahrnehmung einfach eingebrannt.
Wer kennt diese Gefühle nicht? Ein Date das sich nur besonders gut anfühlt, weil der Gegenüber von einem begeistert ist? Schöne Momente, die sich hinterher als doch nicht als so toll herausstellten, weil Mann / Frau anders fühlte als man selber? Ich erinnere mich noch an das eine Date mit dem Mann, der aussah wie eine große Spinne, aber mit einem tollen Lächeln. Wir hatten einen, wie ich finde, abwechslungsreichen, leichten Abend. Ich fuhr mit einem Strahlen im Gesicht nach Hause und betrat mit runterhängenden Mundwinkeln und einem digitalen Korb auf meinem Handy meine Wohnung.
Manchmal gibt es Zeiten, die laufen wie geschnitten Brot. Die Welt strahlt mich an und ich strahle zurück. Ich fühle mich stark und selbstbewusst. Mein Lobkonto ist vollgefüllt mit Komplimenten, Zuckerguss und Honig. Und dann rast die Achterbahn an ihrem höchsten Punkt nach unten. Man ist stolz auf die eigenen Leistungen, doch wieder erwartend sind die anderen es nicht.
Ich bin neidisch auf den Erfolg der einen und eifersüchtig auf die Erzählungen der anderen. Mein Antrieb lässt auf offener Straße die Hosen runter und setzt sich mit blanken Po auf den Asphalt und schmollt. Auch du Tom hattest dieses Phase. Es geht einem nicht unbedingt schlecht, doch geht es gerade weder vor noch zurück.
Schreiben tut gut. Ich wurde mal gefragt warum ich schreibe. Eigentlich schreibe ich für mich. Zeitweise fällt mir jedoch auf, dass ich mit meinen Zeilen doch mehr gefallen möchte als ursprünglich geplant. Ich schreibe vornehmlich humorvolle Texte mit „Schirm, Charme und Melone“ Und dieser hier? Dieser Text ist einfach ein Text, der das Hier und Jetzt beschreibt, mich beschreibt.
Andere Blogs und Podcasts zum Thema „offene Beziehung“ beschränken sich auf dieses Thema und erzählen vornehmlich von aktuellen und vergangenen Abenteuern. Auch gehen sie vermehrt auf Gefühle wie Eifersucht und Verlustangst ein. Und wir? Wir hatten bislang wenige „Sexexzesse“, vögelten nicht in Burgen und richteten keine privaten „Pride-Partys“ aus. Wir schreiben einfach über das, was uns bewegt ohne bewusstes Ziel aufzuklären oder die Welt zu verändern [3] Trotzdem freuen wir uns über jeden zustande kommenden Kontakt 🙂
Und da ist sie, die Zeit in der zunächst nichts gelingen will, bis ich mich losreiße von den Erwartungen die ich selber an mich habe und die andere an mich haben könnten. Bilder die ich jetzt male sind pur, Texte die ich schreibe authentisch [4]und ggf. auch für andere hilfreich und Dates auf ihre Art charmant – egal wie sie ausgehen. Ich definiere „Erfolg“ neu!
Es ist eine Zeit, an die man sich ggf. lange erinnern wird. Wie der Musiker der im Gemeindehaus vor drei gelangweilten Leuten spielt bis er irgendwann… [5]Ich muss gerade an den Musiker Olli Schulz denken, der auf einem Festival mal von diesem Erlebnis berichtete Und selbst wenn keiner von außen freudig guckt, finde ich mich und meine „Werke“ super!
Und nun? Weiter! Wilder! Wunderbarer!
References
↑1 | Belgischer Umgang mit Kontakten während der Corona-Zeit |
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↑2 | Soviel zum „feministischen Kampftag, wie manche den 08.03. nennen |
↑3 | Trotzdem freuen wir uns über jeden zustande kommenden Kontakt 🙂 |
↑4 | und ggf. auch für andere hilfreich |
↑5 | Ich muss gerade an den Musiker Olli Schulz denken, der auf einem Festival mal von diesem Erlebnis berichtete |