Geburtsvorbereitung – letzte Abenteuer 2019 (Dezember 2019)

[1]Titelbild: Ronny Zeisberg – Wieglas Im neunten Monat geht man nicht mehr großartig aus. Man kann sich auch nicht wirklich bewegen. Sex gleicht in animalischer Sicht der Paarung eines Wals. Am liebsten sitzt man ruhig vor dem Fenster, strickt und streichelt seinen Bauch. So lautet zumindest die Meinung einiger (nicht aller) meiner Freundinnen. In diesem letzten Monat des dritten Trimesters, hört man viel darüber, dass man z.B. Rückenschmerzen haben wird und was man zukünftig nicht mehr hat – Sex gehört dazu.

Ich gebe zu, ich war schon immer ein Dickkopf. Ich sehe nicht ein, meine Libido und den Wunsch nach Abenteuern, hinter meinen wachsenden Bauch zu stellen. Auch wenn das Wohl des Ungeborenen natürlich vor allem steht. Du und ich haben viele nahe, erotische Momente auch mit Kugelbauch. Von einem Besuch im Swingerclub sehen wir jedoch ab. Mittlerweile ist mein Bauch nicht mehr zu übersehen und man will ja nicht übertreiben. Dennoch halte ich weiter schriftlichen Kontakt mit diesem „Pärchen“ aus November. „ER“ hat sich von seinem Déjà-vu mittlerweile erholt und beide sind unabhängig voneinander auch daran interessiert dich „kennen zu lernen“. Doch erstmal kommt der Geburtsvorbereitungskurs.

Das Jahr näher sich dem Ende und Weihnachten steht vor der Tür. Zuvor gibt es allerdings noch den Nikolaustag. Genau an diesem sitzen wir, zusammen mit einem Dutzend anderen Schwangeren und ihren Männern, in einem Stuhlkreis. Die Menschengruppe Eltern war mir irgendwie schon immer suspekt. „Erwachsene Leute“ welche sich u.a. mit den Ess-, Schlaf- und Scheißgewohnheiten von Babys /neuen kleinen Menschen beschäftigen und selten ein anderes Thema haben. Demnächst gehören wir auch zu dieser Gruppe.

Die Teilnehmer sind zum großen Teil zwischen 28 und 38 Jahre alt. Sie, schmal und blond. Er, schlaksig mit braunen Haaren und Bart – oder umgekehrt. 😉 Aus der Gruppe heraus stechen das tätowierte Quotenpärchen, eine zukünftig alleinerziehende Mutter kurz über 18 und, durch unsere fast übliche halbe Stunde Verspätung, Wir! Eine Eigenschaft die du und ich leider gemeinsam haben.

Der Wochenend-Crashkurs, welcher von einer sympathischen 68-er Hebamme mit langem wallendem Haar geleitet wird, beginnt mit einer Frage- und Antwortrunde: Was benötigt man zwingend als Erstausstattung?Woran erkennt man echte Wehen? Welche Atemtechniken gibt es und welche ist die effektivste? Was tun, wenn Wehen einsetzen und das Kind noch nicht im Becken sitzt? Aus mir unerfindlichen Gründen, kenne ich die Antwort auf jede Frage. Wie damals im Schulunterricht, melde ich mich mehrfach. Wie damals im Schulunterricht, werde ich irgendwann ignoriert.

Gleiches Szenario gab es übrigens damals auch auf dieser Dildoparty. Der sogenannten Dildofee habe ich nicht nur ungefragt auf ihre rhetorischen Fragen geantwortet, ich konnte auch nicht anders als ihr mehrfach zu wiedersprechen. Das gefiel dieser natürlich nicht Das war aber auch eine ahnungslose Pute. Sie hätte lieber Kerzen oder Tupperdosen verkaufen sollen. Aber lassen wir das.

Als das Thema „Rückbildung nach Geburt“ besprochen werden soll, schickt unsere Hippie-Hebamme die verdutzen Begleitmänner vor die Tür und setzt sich mit uns Frauen im Kreis auf den Fußboden. Vorsichtig geht sie das Thema an und erklärt, wie man die innere Muskulatur am besten stärkt. Ich frage ob es genügt, wenn man seine Liebeskugeln minutenlang „einsaugen kann“ Erstauntes nicken der Hebamme und leicht verängstigte Blicke der Mitschwangeren. Ich bin aber manchmal auch ein Klugscheißer! Insgeheim lag unsere Hoffnung darin, während des Kurses ähnliche Leidensgenossen kennenzulernen wie wir es sind. Doch dies bleibt uns leider vergönnt. Zurück bleibt ein nur noch größeres Gefühl der Überforderung. Doch was sein muss muss sein, und so ziehen wir diesen Kurs nun zusammen durch.

Während ich der wirklich charmanten Hebamme mit einem Ohr zuhöre, und dir zwischendurch immer wieder mit Leidensblicken durch die Haare streiche, schaue ich heimlich auf mein Handy. Ein zweites Treffen mit dem Pärchen aus November, zusammen mit dir, wäre ganz reizvoll. Es entsteht ein heißer Nachrichtenaustausch, der sich über mehrere Tage zieht, am Ende jedoch irgendwie anstrengend wird. Während er durch einen recht entfernten Heimatsort nur an bestimmten Tagen spätabends kann, gehört sie eher zu der Kategorie früher Vogel, und hätte lieber Sex zur frühen Mittagsstund.

Auch ihre Vorstellungen, was das Treffen zu viert betrifft, gehen auseinander. So schwärmt er vom separaten Partnertausch, während sie gerne ein wildes Durcheinander aller Protagonisten hätte. Nach einem charmanten Hin und her, einigen wir uns auf mehrere Varianten. Wir verabreden uns zunächst separat mit Anja. Eine Woche später dann mit René um im Anschluss eine Vierervariante auszuprobieren. Da mein Baby im Bauch ganz fidel ist, während erotischer Momente jedoch ruhig schläft und mir ein paar Minuten Boxfreiheit schenkt, habe ich was das angeht keine Bedenken. Natürlich wird vorschriftsmäßig verhütet!

Am Tag ihres Besuchs, stellen wir neben Kondomen auch eine Flasche Wein, Antipasti und Pizza bereit. Bei Treffen jeglicher Art ist es nicht selten, erst einmal Smalltalk zu halten, egal ob man sich im Café zum Butterkuchen trifft, im Restaurant zum Businessgespräch oder zuhause zum Sex. Unser Anfängliches Dreiergespräch ist inhaltslos, langweilig und uninteressant. Obgleich wir uns körperlich sehr anziehend finden, wissen du und ich nicht so recht was wir mit der Dame bereden sollen. Wir hätten gleich nackt die Tür aufmachen sollen. Aber hier sitzt der Mut leider noch unterm Bett und liest Comics.

Als zum zweiten Mal die Frage aufkommt, wie denn ihre Anreise zu uns war, küsse ich sie einfach und gehe mit ihr ins Schlafzimmer. Du folgst uns. Es fällt uns nicht schwer uns gegenseitig zu berühren und zu dritt zu erkunden. Ich sehe zu wie ihr euch küsst und finde es durchaus erotisch. Du beobachtest uns wie gegenseitig streicheln, lecken und aneinander saugen. Dringst du in mich ein, küsst sie mich dabei. Schläfst du mit ihr, liebkose ich sie währenddessen. Es ist ein ausgeglichenes Miteinander. Wir fühlen uns wohl und niemand bleibt auf der Strecke.

Als die letzten Orgasmen abgeklungen sind, liegen wir zu dritt nebeneinander und streicheln über die Haut der anderen. Ich ertaste meinen Kugelbauch und lächle. Sie lächelt zurück und küsst mich. So geht es eine Weile, vielleicht weil wir uns dann nicht miteinander unterhalten müssen. 😉 Wir mögen uns, wissen aber noch immer nicht, über was wir miteinander reden sollen. Die Interessen sind zu verschieden. Dies zeigt sich auch, während unserer eingelegten Pizzapause. Du und ich interessieren uns nicht für Pferde und sie hat weder etwas mit Kunst noch mit Sport zu tun. Auch der Humor schaut die jeweilige Gegenseite skeptisch an und verzieht sich dann unter den Tisch. Ein Blick, ein Kuss und wir wechseln erneut den Schauplatz.

Die zweite Runde ist genauso frei. Du und ich beobachten den jeweils anderen beim Liebesspiel und berühren uns danach gegenseitig. Ich küsse sie, während du sie  doggie nimmst. Dann fange ich deinen Blick auf und mein Bauch vibriert. Ein Moment, der für einige vielleicht schlecht vorstellbar ist, den ich jedoch im Kopf für mich festhalte. Du schaust mich ganz anders an als sie und das tut gut.

[2]Ausschnitt: Ronny Zeisberg – Wieglas

Nach Mitternacht schläft sie auf unserer Couch, während du und ich aneinandergeschmiegt im Schlafzimmer einschlummern. Als wir am nächsten Tag Frühstück machen wollen, hat sie sich bereits mit einer lieben Nachricht auf den Weg gemacht.

Auch Tage später schwelgen wir noch in den Erinnerungen dieses Abends.

Weihnachten verläuft ruhig. Du und ich feiern gemeinsam in meiner kleinen Künstlerwohnung und treffen unsere Familie am 1. und 2. Feiertag. Zum ersten Mal kein Weihnachtsstress. In den Jahren zuvor, als ich noch mit Malte zusammen war, verbrachte ich so manches Weihnachtsfest auf der Autobahn. Erst fuhr ich zu meinen Eltern, dann zu seinen, Großeltern, Tanten etc. um im Anschluss wieder zu meinen Eltern zu eiern. Jetzt mit Kugelbauch, ist es anders. Nächstes Jahr um diese Zeit sind wir zu dritt. Ich sehe meinen Vater schon als Weihnachtsmann verkleidet um die geschmückte Tanne tanzen.

Du und ich haben viele nahe Momente, reden viel und gestehen uns auch gegenseitig ein, dass wir Angst vor der Zukunft haben. Weder du noch ich hatten fest geplant, Eltern zu werden und wissen auch so gar nicht, was auf uns zukommt. Die Schilderungen anderer bereits gestresster Eltern, welche uns erklären, worauf sie alles verzichten müssen, verstärken nur das Gefühl. Doch dann hängt man diese winzig kleinen Söckchen auf den Wäscheständer und sieht förmlich das Schluckaufglucksen in meinem Bauch…

Ich bin gespannt auf das Treffen mit dem männlichen Part des „Pärchens“ ca. zwei Wochen später. René ist nicht so unkompliziert wie Anja. Nach seinem plötzlichen Abgang im November, hat er mehrmals seinen Besuch angekündigt und kurzfristig abgesagt. Nun nach einem zaghaften Versuch mit einem Mann in seiner Heimatstadt, würde er dich gerne kennenlernen und mit dir auf Tuchfüllung gehen. Ganz glauben wir nicht an das Treffen, stehen dem Ganzen aber weiterhin offen gegenüber. Dennoch bringt uns dieses „nicht ganz dran glauben“ an diesem Tag dazu, die Zeit zu verplempern. Als René schreibt, dass er in einer halben Stunde da wäre, stehen wir beide noch ungeduscht und halbnackt im Wohnzimmer. So kommt es dazu, dass du mit einem fremden Mann und einem Sixpack Bier im Wohnzimmer sitzt, während ich mir am Badewannenrand die Beine rasiere.

Frisch geduscht mit halb nassem Haren, begrüße ich unseren Gast. Siehe da, er wirkt an diesem Tag irgendwie recht locker und aufgeschlossen. Auch die Smalltalkrunde empfinde ich als weniger verkrampft. Das sieht der braungebrannte Bartträger anscheinend anders. Mitten im Satz fordert er uns auf, doch endlich loszulegen. Etwas überrumpelt tun wir dies auch.

Während der Besucher in unserer Mitte sitzt und grinst, beginnen wir ihn zu berühren. Obgleich ich seine Art eben etwas dreist fand, genieße ich seine Küsse. Auch ihr küsst euch und ich schaue zu. Auf meinem alten Sofa, auf dem normalerweise zu dieser Uhrzeit meine alten Stubentiger schlafen, spielt sich nun ein erotisches Bi-Szenario ab.

Die Bewegungen sind gelöst. Dennoch sehe ich, dass du nicht ganz loslassen kannst. Doch du tauchst in die Situation ein, küsst den anderen Mann, verwöhnst ihn mit deinem Mund und lässt ihn in dich eindringen. Ich beobachte euch und finde die Situation spannend. Ganz fallen lassen könnt ihr euch beide nicht. Nach ein paar Minuten lässt René von dir ab und widmet sich mir. Ich fühle mich geschmeichelt, dass dieser bei mir mehr aus sich heraus gehen kann, lasse meine Augen jedoch nicht von dir ab. Du lächelst und einige Minuten später bescheren wir dem Dritten im Bunde einen lauten Orgasmus. Im Anschluss zieht die Erotik schnell ihre Jeans an und nach ein paar netten Worten macht sich Nummer Drei auch schon auf in Richtung Ausgang. Ich sehe dir an, dass du auch jetzt noch nicht ganz gelöst bist. Wir reden eine Weile über den Abend und schließen diesen dann, mit einem ganz eigenen innigen Moment und vielen Streicheleinheiten ab.

Am Nächsten Tag steht das geplante Treffen bei uns, mit beiden Protagonisten der letzten Zeit an. Interessiert bin ich schon, doch spüre ich langsam eine gewisse Erschöpfung. Schließlich bin ich hochschwanger. Da auch du nach dem gestrigen Abend erst einmal Luft holen musst, schreiben wir dem Pärchen eine nette Nachricht und begeben uns gelöst in die Babypause. Schon in einigen Wochen wird alles anders sein. Werden wir uns schnell an das Leben als Eltern gewöhnen? Finden wir noch Zeit für erotische Momente zu zweit? Wie lange dauert es bis ich körperlich überhaupt dazu bereit bin? Ist es überhaupt möglich, mit Kind, sich alleine und zu zweit, ab und an in kleinere Abenteuer zu stürzen? Gerade tut es gut all diese Gedanken nieder zu schreiben und dann offen in eine ganz neue Zukunft zu blicken.

References

References
1 Titelbild: Ronny Zeisberg – Wieglas
2 Ausschnitt: Ronny Zeisberg – Wieglas
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