Von Menschen, Mäusen und Waschmaschinen – meine ganz eigenen Abenteuer (Ende November 2019)

Jetzt zieht der Herbst so langsam sein Winterkostüm an. Ich bin schwanger. Stichtag ist Ende Januar. In fast zwei Monaten sind wir Eltern. Noch immer erfreut der Gedanke, so sehr er auch verängstigt.

Unsere letzte Diskussion, über deine Langzeitliebelei mit Katja, ist noch nicht lange her. Bislang sehen wir jedoch von Grundsatzgesprächen zum Aufbau unserer offenen Beziehung ab. Wir tun was getan werden muss und was uns guttut. Neben Arbeit, Besorgungen für den Zukunftszwerg und intimen Momenten zu zweit, stöbern wir beide bei Tinder herum und zeigen uns gegenseitig unsere möglichen Errungenschaften.

Es ist ein wenig wie Quartett, das Kartenspiel aus der Kindheit. Während ich ein Pärchen, auf der Suche nach einer zweiten Frau, und einen Tantramasseur auf der Hand habe, schreibst du einer jungen vollbusigen Blondine, mit falschen Wimpern aber tollen Augen, und einer frisch geschiedenen Hausfrau, auf der Suche nach allem was wild und dreckig ist. Noch haben wir uns mit niemanden getroffen.

Da ich den Sommer über eher zurückhaltend war, bin ich jedoch still der Meinung, ich hätte nun ein Vorrecht auf Abenteuer. Zudem habe ich nicht so viele Baustellen wie du, mit Scheidung und neuem Job, um die ich mich kümmern muss. Das Einzige worum ich mich noch zu kümmern habe, ist um eine neue Waschmaschine. Wenn Baby da ist, wird das Laufen vom dritten Stock in den Keller zur Gemeinschaftswaschküche hinderlich sein. Doch Ahnung von den Geräten habe ich nicht.

Als du mir am Telefon von deiner Korrespondenz mit einer der beiden Damen berichtest, google ich den Vergleich zwischen Maschine A und B. Später den zwischen C und D. Als du mir erzählst, dass du dich nächste Woche sowohl mit Dame A als auch mit Dame B triffst, gebe ich die Hoffnung auf.

Ich bitte meine Mutter in einem Elektrogeschäft ihres Vertrauens, nach einem geeigneten Gerät zu schauen. Anstatt mir eine niegelnagelneue Maschine zu gönnen hat Neptun jedoch andere Pläne. Just eine Woche zuvor geht die Wäscheschleuder meiner Eltern kaputt. Diese kaufen sich zwei Tage später eine Neue – das Deluxemodell mit jeder Menge Gänge und einer Grillfunktion für Brathähnchen. 😊 Im Internet sieht meine Mutter dann, dass der Fehlercode der alten auf defekte Kohlebürsten hinweist und wie man diese, mit ein paar Handgriffen „do it yourself“, austauscht. Kurz darauf baut mein 70 Jahre alter Vater, zusammen mit seinem Kumpel, das wiederbelebte Gerät in meine kleine Küche ein.

Drei Waschgänge später, berichtest du mir am Telefon von einem gelungenen ersten Date mit Blondine A und ich mit den Füßen im Wasser. Ihr wart nur essen. Sex gab es nicht. Sie gab dir aber einen Hinweis, dass dies beim nächsten Treffen nicht ausgeschlossen wäre. So hättest du nächste Woche ein weiteres Date mit Blondine A. Auch Brünette B wäre einem ersten Treffen nächster Woche nicht abgeneigt. Ich habe nichts gegen ein Date, doch müssen es gleich so viele hintereinander sein? Ich schlucke meinen Unmut runter und begebe mich auf die Suche nach einer neuen Tindereroberung – meine Mutter indessen auf die Suche, nach einer neuen Waschmaschine für mich.

Im Netz treffe ich auf diese „Friends with Benefits“, welche Ausschau nach einem weiblichen Betthäschen halten. Ursprünglich ist mir nicht nach rumhoppeln. An ein Pärchen hatte ich schon gar nicht gedacht. Aber mein Gott, wenn sie attraktiv sind?! Und das sind sie. Sie, Anja, Anfang 40 mit toller Figur und einem wirklich hübschen Pferdelächeln. Er, Renè, Ende 30 mit Pferdeschwanz und Bartumrandung. Wir schreiben etwas hin und her, telefonieren und verabreden uns für Ende kommender Woche.

Die Bewegungen im Bauch verscheuchen die unguten Gedanken zu deinen Dates. Wir genießen die gemeinsamen Abende und man sagte mir mal, dass Babys beim Liebesspiel der Eltern schlafen. Dieses Kind schläft besonders häufig. Und auch die Waschmaschinenleiche in meiner Küche findet auf ruhige Weise durch ein paar Männerhände den Weg nach draußen.

An dem Tag an dem meine Mutter fünf Mal anruft um zu erfahren, was für eine Waschmaschine ich den genau brauche, meldest du dich nach Feierabend erst, als die Uhr fast Geisterstunde anzeigt. Als du mir nächsten Tag von deinem Treffen mit Katja erzählst, wird es mir zu viel und die Worte sprudeln so aus mir raus. Ich bin nicht böse, nur verunsichert. Ich rede, ohne wirklich über meine Worte nachzudenken. Nach einigen Minuten habe ich die Energie und den Faden verloren. Du bist ruhig, kannst meine Gedanken zum Großteil nachvollziehen, merkst aber auch an, dass ich dir so eigentlich aus allem einen Strick drehen kann. Wann ist das, was du tust zu viel und wann ist das was ich tue noch ok, oder nicht mehr? Brauchen wir vielleicht doch einen Rahmen? Bisher haben wir Einzelfälle und Fragen gut gelöst und beantwortet. Doch brauchen wir nicht doch eine Gesamtlösung? Wir einigen uns darauf, in nächster Zeit das Buch „offene Beziehung“ mit unseren gemachten Notizen gemeinsam durchzugehen. Regeln und Besonderheiten wollen wir dabei festzuhalten.

Nach dem von mir veranstalteten Theater zu deinen Dates – Dame A und B hast du übrigens versetzt [1]Titelbild: Ronny Zeisberg- Wieglas – wäre es wahrscheinlich besser, auch mein Date mit dem Pärchen, an besagtem Donnerstag abzusagen. Die Waschmaschine kommt um 17 Uhr, Anja und René eine Stunde später. Neben diversen telefonischen Rückfragen meiner Mutter, ob der Mann auch seine Arbeit richtig gemacht hat, ziehe ich mir im Beisein meines Handys mit Lautsprecherfunktion, mein schwarzes Catsuit an.

Kaum habe ich mir meine Haare geföhnt, sitzt Anja schon auf meinem Sofa. Hübsche Frau. Wir finden uns gegenseitig attraktiv. Ein gemeinsames Gesprächsthema finden wir jedoch nur mühsam. Auch die Smalltalkrunde mit René, der ein paar Minuten später eintrifft, ist eher zäh. Dennoch ist auch er ein „heißes Mäuschen“. Ehe ich mich frage, was ich hier eigentlich mache, finde ich mich mit zwei fremden Personen in meinem Bett wieder.

Ich küsse abwechseln sie, dann ihn und werfe zügig alle unnützen Gedanken von Bord. Die Stimmung ist aufgeladen. Ein Kleidungstück nach dem anderen fällt zu Boden. Daneben liegen unsere Hemmungen. Ich sehe einzelne Körperteile, lecke, sauge, beiße an allem was ich zwischen, Zunge, Lippen und Finger bekomme. Wir bewegen uns fließend und ich genieße Blicke und Berührungen. Geräusche werden lauter, Berührungen schneller. Der erste Höhepunkt ist erreicht. Ich lecke mir über die Lippen und teile mir seinen Geschmack mit meiner Gespielin. Wir verharren in dem Kuss, berühren uns und merken gar nicht, dass er sich an die Kante des Bettes verzieht und uns zusieht. [2]Weshalb vor allem Blondine A „not amused“ war. Durch die Entfernungs-Funktion bei Tinder fand diese heraus, dass du nicht krank im Bett liegst, sondern dich gerade in der Innenstadt aufhältst. … Continue reading

Nach einem phänomenalen Orgasmus liegen Anja und ich nebeneinander und lächeln René zu. Dieser sieht irgendwie nicht mehr so angetan aus. Nachdem ich beiden ein Glas Wasser gebracht habe, beginnt er unverständliche Worte von sich zu geben und zieht sich gleichzeitig an. Ich gebe zu, Ich mag den weiblichen Körper. Wenn ich auf den Geschmack gekommen bin, kann meine Gier danach fast so groß sein, wie die nach Vanilleeis. Die Zungenbewegungen mögen ähnlich sein.

Mann bleibt gerade lieber bei Mineralwasser…ohne Sprudel. Er wisse auch nicht was los ist. Er habe gerade eine Blockade. Es wäre besser, wenn er jetzt ginge. Und weg ist die Maus. Anja, der das Ganze auch rätselhaft ist, zieht sich ebenfalls zügig an und folgt ihm zur Tür. So schnell wie ich mit zwei Fremden nackt in meinem Bett lag, so schnell stehe ich jetzt in meinem Hausflur – Bekleidet mit einer Decke und einem unsichtbaren Unbehagen.

Einen Tag später meldet sich Anja ganz lieb bei mir. Kurze Zeit danach, ruft René selber an. Er entschuldigt sich für seinen Auftritt. Anja und ich haben ihn an eine Ex erinnert, die ihn für eine Frau verlassen hat. Ich werde Verständnis dafür haben. In diesem Moment aber, in dem ich alleine in meinem Flur stehe, gräbt sich das bekannte Loch in meinen Bauch. Gerade jetzt brauche ich dich. Und du bist da, nimmst mich in den Arm und beruhigst mich mit deinen Worten.

Tags drauf ruft mich meine Mutter an und erklärt, sie wolle ihre und meine Waschmaschine gerne tauschen. Ihr wäre das supermoderne Teil in ihrer Waschküche zu neumodisch. Ihr genüge meine preisgünstigere Variante. Ich käme mit dem Luxusmodell schon klar. Mir ist das fast egal. Hauptsache das Zukunftsbaby hat gewaschene Strampler.

Der November zieht weiter. Während du dich in Sachen Dates eher zurückhältst, korrespondiere ich derweilen mit diesem Mann, der seine Berufung in Tantramassagen gefunden hat. Er mag es Frauen zu verwöhnen und mit ihnen gemeinsam in neue Sphären einzutauschen. Meine Geschichte und die Tatsache das ich Schwanger bin, faszinieren ihn. Ich bin neugierig, erzähle dir davon und merke, dass du das Treffen mit dem Pärchen wesentlich lockerer gesehen hast. Du sprichst es nicht laut aus, aber aus deiner Stimme höre ich ein gewisses Unbehagen. Und was soll ich sagen – das schmeichelt mir. Du musst da jetzt durch.

Nach zwei verschobenen Treffen – was soll ich sagen die Waschmaschine –  bin ich eines Dienstagabends auf dem Weg zu dem Tantramann. Auf den Fotos im Internet sieht er ein wenig aus wie, mein Exfreund Malte, nur dass er längere Wimpern hat und bereits Anfang 40 ist.

Auf dem Weg zum Café in der Nähe seiner Wohnung, telefoniere ich mit meiner besten Freundin Lisa. „Ich bin auf dem Weg zu einem fremden Mann der ganz nah am Wasser wohnt. Ich gebe dir mal seine Adresse, falls was schief geht“, spreche ich in mein Hadset. „Falls du versehentlich mit deinem Wagen in den See fährst? Na für den Fall musst du mit der Schnalle deines Gurtes die Fensterscheibe einschlagen“, lacht sie ins Telefon. Ich gebe, zu ein wenig aufgeregt war ich schon. Ist das letzte Treffen ganz allein mit einem neuen Mann, doch schon ein paar Monde her. Lisas unkonventionelle Art, schickt diese Aufregung jedoch gerade in die Wüste bzw. in den See. Und nun steht dieser neue Mann vor meinem Auto. Ich muss sagen er ist wirklich attraktiv. Er ist groß gewachsen, dunkle Haare, dunkle Augen, braune Lederjacke. Wir gehen in ein kleines, asiatisches Restaurant und unterhalten uns lange. Er erzählt mir, wie er zum Tantra gekommen ist und wohin sein Fernweh ihn schon überall gebracht hat. Es ist lange her, dass er eine längere Beziehung hatte. Laut seiner Aussage, sei er auch mehr der Einsiedlerkrebs. Die verschiedenen Begegnungen durch die Massagekunst aber, begeistern ihn. Es käme nicht immer zum Sex, aber ab und an.

Als wir aufbrechen ist es bereit 23 Uhr. Da er am nächsten Tag arbeiten muss, reicht die Zeit für eine Massage nicht mehr aus. Einen Kaffee bei sich würde er mir, aber dennoch gerne anbieten. Ich betrete seine Wohnung und bin von Raumaufteilung und Einrichtung ganz angetan. Die Wohnung hat einen großen Balkon, ein riesiges Bücherregal und eine rustikale, offene kleine Küche. Inmitten des Wohnzimmers liegt bereits eine Matratze samt Handtüchern und orientalischer Decke.

Wir sitzen mit wenig Abstand auf seinem Sofa und reden. Ich gebe zu, ich würde gerne mehr machen. Trotz meiner offenen Art, traue ich mich jedoch nicht, mit dem Haus in die Tür zu fallen. Stattdessen frage ich interessiert nach, höre aufrichtig zu und erzähle anregend. Als ich mich kurz nach Mittagnacht auf den Weg machen will und er mir verspricht, dass wir die Tantra- Massage bald nachholen, fällt mir eine spontane Bitte ein: „Magst du mir, bevor ich gehe, noch kurz Nähe demonstrieren?“ „Wie genau meinst du das?“, fragt er. „Ich weiß nicht“, antworte ich. „Das nächste Treffen ist noch ein Weilchen hin und ich möchte gerne einen ersten Eindruck mitnehmen“. Er steht auf, schaut mich an, nimmt meine Hand und zieht mich sanft zu sich hoch. Heidewitzka ist das ein attraktiver Mann.

Ich stehe vor ihm, spüre seinen Atem und seine Hand streicht langsam über mein Gesicht, Hals, Arme, Hände. Ich tue es ihm gleich. Eine gefühlte Ewigkeit berühren wir uns so. Als es zum Kuss kommt, kommt es auch zum Verlust der ersten Kleidungsstücke. Irgendwann stehe ich dann nur noch in Unterwäsche in seinem Wohnzimmer und er in Short nah hinter mir. Als seine Hände meine Brüste erkunden und ich mich wieder zu ihm umdrehe, fällt mir die Matratze auf dem Fußboden wieder ein. Obgleich wir uns eigentlich fremd sind, berühren wir uns leidenschaftlich überall und nutzen die Fläche der Matratze voll aus. Aus vergangenen Abenteuern bin ich es nicht selten gewohnt, dass sich hauptsächlich nur die „Schnittstellen“ berühren. Ich bin deshalb nicht unbedingt ein Fan des wiederholten „ersten Mals“. Ich vögle lieber bekannt quer. 😉 Nun genieße ich die vielen Berührungen des Fremden, seine Haut, seinen Geruch und seine Bewegungen umso mehr – Andante, allegro, vivacissimo[3]Italienesche Geschwindigkeitsangaben aus der Musik..

Ich gebe zu, die Tatsache, dass ich nicht als Single hier bin, und du von dem heutigen Treffen weißt, schürt das Feuer in mir. Trotz Babybauch bin ich recht beweglich. Es ist selbstredend, dass wir auf diesen besonders acht nehmen und zudem entsprechend verhüten.

Nach getaner Arbeit, liegen wir noch eine Weile nackt nebeneinander und berühren uns. Wir dämmern sogar ein bisschen weg. Da ich aber ungerne in einem anderen Bett, als dem meinen oder deinen aufwache, ziehe ich mich am frühen Morgen an. Ich verabschiede mich sanft und steige in mein Auto.

Noch vor der ersten Ampel tritt das, wie ich es nenne „Reflexgefühl“ ein und ich schicke dir eine unstrukturierte Ewig-Sprachnachricht. Ich erzähle, dass ich einen tollen Abend hatte, wir uns viel unterhalten haben aber auch das ich gerade Sex hatte. Ich sage dir, dass ich dich gerade vermisse und ich mich ungemein auf dich freue.

Deine Reaktion nächsten Morgen, ist eher verhalten. Du hast den Eindruck, ich hätte jemanden gefunden, der mich fesselt und du freust dich für mich. Darüber hinaus hättest du gerade viel zu tun. Du wirkst kühl. Ich verstehe deine Reaktion nicht. Solltest du nicht, wie ich in der Vergangenheit bei deinen Geschichten „etwas“ eifersüchtig und anhänglich sein? Genau diese Frage stelle ich dir. Prompt entwickelt sich erneut kein Streit, jedoch eine Bandsalatdiskussion. Innerhalb von zwei Stunden haben wir beide sämtliche Fäden verloren.

Schnell erwartet man von dem anderen ähnliche Gefühle und Sichtweisen wie man selbst. Das ist natürlich quatsch. Zudem gibt es gerade wichtigeres. Zum Beispiel das kleine Menschlein meinem Bauch, den du gerade küsst und danach sanft eincremst. Dennoch sollten wir schauen, wie wir in Zukunft wiederkehrende Diskussionen vermeiden. Das kriegen wir schon hin – die Waschmaschine steht ja auch und wäscht übrigens super-deluxe. 😉

References

References
1 Titelbild: Ronny Zeisberg- Wieglas
2 Weshalb vor allem Blondine A „not amused“ war. Durch die Entfernungs-Funktion bei Tinder fand diese heraus, dass du nicht krank im Bett liegst, sondern dich gerade in der Innenstadt aufhältst. 😉
3 Italienesche Geschwindigkeitsangaben aus der Musik.
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