Warum eigentlich ein Blog?

„Wer schreibt der bleibt“. Eine nicht ganz neue Weisheit. Besonders lyrisch ist diese nicht, doch ist sie sowohl dir als auch mir in Fleisch und Blut übergegangen. Als wir uns kennenlernten, waren wir beide dabei Vergangenheit und Gegenwart aufzuschreiben, Erinnerungen zu verarbeiten aber auch zu erhalten. Du in ein kleines Notizbuch, ich mit Hilfe eines Schreibprogramms im PC. Schreibt man seine Gedanken und Eindrücke auf, gewinnen sie an Klarheit und Beständigkeit. Man freut sich über das nicht vergessen, manch einfallsreiches Wort und lernt einiges über sich selbst. Für mich ist das Schreiben auch eine Form von Kunst. Meine Mutter sagt, ich war schon immer ein „Schreiberling“.

Als ich 19 war, sollte ich meinem Cousin, der wegen Autodiebstahls in Jugendarrest saß, einen Brief schreiben. Acht Seiten sind dabei heraus gekommen. Meine Mutter zeigt diese heute noch jedem der sie sehen will und jedem der sie nicht sehen will. Mein Cousin hat nie geantwortet. Könnte auch daran liegen, dass der Inhalt des Briefes willkürlich gewählt und eigentlich ohne wirklichen Zusammenhang war. Während die Gefühlswelt einer 19-Jährigen, einen 15-jährigen Straftäter nicht unbedingt interessiert, könnte das Thema offene Beziehungen auch Menschen außerhalb meiner kleinen Welt nahe gehen. Diese könnten wiederum mir / uns neue Denkanstöße geben.

Während unseres Kennenlernens kristallisierte sich schnell heraus, dass wir beide einen Weg gehen möchten, der in unserer Umgebung eigentlich selten gelebt und für einige unbegreiflich ist. Doch es ist ein neuer Weg und wenn wir auch diese Beziehung gegen eine Wand fahren, so soll es doch zumindest eine neue Wand sein. Aber das ist nicht das Ziel. Ziel ist es, möglichst frei nebeneinander her zu gehen und trotzdem eine Verbindung miteinander zu teilen. Eine, die sich von einer Freundschaft / Liebschaft unterscheidet, den jeweiligen ergänzt und in seiner individuellen Art unterstützt. Die Eindrücke, Überraschungen, besonderen Momente, Ängste, Herausforderungen und Lehren wollen wir dabei festhalten. So hatten wir es eines Abends, an meinem Ess- / Kunst -/ ab und an auch Sextisch bei Sushi und Wein der Kategorie B, beschlossen. Ein Blog ist eine Möglichkeit dies auf digitale Art und Weise zu tun und andere dabei irgendwie teilhaben zu lassen. Erst vor kurzem hörte ich den Satz „ich wette spätestens in zwei Jahren seid du und Tom auch monogam. Dann seid ihr endlich so normal wie wir und hört auf mit dem Quatsch von wegen „offene Beziehung und so“. Denn was der Bauer nicht kennt, dass frisst er nicht. Und auch wenn die Welt immer toleranter ist und wird, so wird der Begriff „offene Beziehung“ nicht selten mit „ach das ist noch nur ein Freifahrtschein fürs….“ gleichgesetzt.

Im Frühjahr auf dem Weg zum Volksfest um die Ecke ist dir und mir dann ein Buch, zu genau diesem Thema, fast schon in die Arme gesprungen. Wir haben es nacheinander durchgelesen und dem jeweils anderen Notizen hinterlassen. Die Geschichten verschiedener Paare machten uns neugierig, gaben aber auch eine Zuversicht es einfach zu probieren. [1]Da der Verfasser des erwähnten Buches mittlerweile seinen Beruf gewechselt hat, und nun als Unternehmensberater oder so fungiert, werden wir den Titel an dieser Stelle nicht erwähnen. Nur so viel … Continue reading Vielleicht inspirieren wir mit unserer Geschichte irgendwann auch andere. Vielleicht auch, weil das Thema, sobald ein Kind ins Spiel kommt, eine ganz andere Dimension und Ernsthaftigkeit annimmt.

Dennoch sind unsere Texte vor allem für uns gedacht, sollen uns begleiten, Gedanken entwirren, helfen zu reflektieren und helfen nicht zu vergessen. Darüber hinaus bietet die Form und Gestaltung eines Blogs die Möglichkeit, ein digitales und auch irgendwie kunstvolles Gedankenwerk zu schaffen, auf das man später stolz ist. Wir können unsere eigene Geschichte wie in einem Roman nachlesen, dadurch reflektieren, lernen und vielleicht auch ein bisschen damit angeben.

Die Vorstellung, an einem Samstagmorgen beim Bäcker von Leuten angesprochen zu werden, sich mit diesen zu ihren Sichtweisen und Erfahrungen auszutauschen und vielleicht sogar aufgrund unseres Blogs gelobt zu werden, ist durchaus reizvoll. Der Gedanke, dass mein Chef liest mit wem ich gestern Abend geschlafen habe und deine Mutter nun deine tiefen erotischen Gelüste kennt, macht diesen Reiz dann wieder zunichte. Die Themen und Geschichten, welche wir niederschreiben sind recht intim und spiegeln unser tiefes Gedankengut wieder. Da ein Pseudonym dem Schutz der Privatsphäre und vor allem dem Schutz unseres gemeinsamen Kindes dient, haben wir uns entschieden, diesen Blog vorerst unter anderen Namen zu schreiben.

Isabelle und Tom sind somit reine „Künstlernamen“, jedoch nicht weniger Standard als unsere echten. Wir könnten somit auch Jan und Marie oder Andreas und Katharina heißen. Auch die Nebenprotagonisten werden von uns z.T. kunstvoll maskiert. So ist der Postbote vielleicht in Wirklichkeit der Nachbar und der Arbeitskollege eigentlich der Fischverkäufer von nebenan. Doch unserer Erlebnisse entsprechen alle der Realität. Auch die Bilder zeigen ein Stückchen von uns – So nah dran wie möglich, so fern wie nötig. Rechtschreibfehler verleihen noch ein Stückchen mehr Authentizität [2]Wir könnten die Schuld auch dem Rechtschreibesystem von 1990 geben.. Die Ich- und Du-Perspektive, sowie Gegenwartsform der Texte, geben dem Leser die Möglichkeit, sich besser in die jeweils schreibende Person hinein zu versetzen. Freunde die uns kennen und von dem Blog wissen, bitten wir um Diskretion und Hinweis auf Rechtschreibfehler [3]Und Kommasetzung – das war schon immer meine Schwäche.. Fremde die uns zufällig erkennen, bitten wir ebenfalls um Diskretion und geben Ihnen, je nach Wetterlage, ein Bier, Eistee oder Glühwein aus.

Schreibweise der Protagonisten

  • Das Ursprungsthema des Blogs ist „offene Beziehung“. Es geht jedoch auch um Erlebnisse und Themen, die auf dieses Konstrukt gerade einwirken. Das was bewegt wird aufgeschrieben. Das Leben wird so festgehalten. Die Themen Monogamie, Polygamie, Kinderlosigkeit, Vergangenheit, Depression, Humor, Lebensfreude, Einsamkeit, Freundschaften, Familiengeschichten, Wahrheit, Lüge, Sex und Stereotypen werden genauso angerissen, wie die ewige Frage: „Wer bin ich und wo möchte ich mit meinem Leben hin?“. Ein buntes Potpourri – fehlt nur noch Tomatenketchup.
  • In diesem Blog dreht sich nicht alles um „uns“ als Einheit. Es geht auch um einen selbst. So schreibt jeder für sich und bringt das rein, was ihm wichtig ist. Neben einzelnen Geschehnissen aus zwei Perspektiven, sind so ggf. bei dem einen Ereignisse mit drin, die bei dem anderen nicht enthalten sind. Als Erkennungszeichen, dass es sich um die gleiche Zeit handelt, geben du und ich den jeweiligen Monat in der Überschrift an.
  • Gedanken die hier reingeschrieben werden, werden nicht diskutiert oder übelgenommen. Was wirklich stört, muss SOFORT unter 4 Augen besprochen werden. Dennoch wollen wir uns beim Schreiben, durch das Geschriebene des anderen, nicht beeinflussen. Daher lesen wir, bei Interesse, am Ende des Monats die Vormonatstexte des jeweiligen anderen.

Eigentlich müsste hier nun ein runder Abschlusssatz stehen. Da mir dieser, auch nach einer großen Schüssel Johannisbeeren und einem Eis am Stiel, nicht eingefallen ist, kopiere ich an dieser Stelle passende Weisheiten ein:

NICHTS IST LEICHTER, ALS SO ZU SCHREIBEN; DASS KEIN MENSCH ES VERSTEHT, WIE HINGEGEN NICHTS SCHWERER IST, ALS BEDEUTENDE GEDANKEN SO AUSZUDRÜCKEN, DASS SIE JEDER VERSTEHEN MUSS (Schopenhauer).

FÜR WEN ICH SCHREIBE? SOLLTE ICH DAS WISSEN? JEDENFALLS FÜR MICH. KANN ICH AHNEN; WER LESEN KANN UND VOR ALLEM WILL? (Raymond Walden).

ICH WEIß NICHT ZU WEM ICH GEHÖRE; ICH GLAUB, ICH GEHÖRE NUR MIR GANZ ALLEIN (Friedrich Holländer).

MACH LIEBE MIT SO VIELEN, WIE IHR KÖNNT UND LASST DABEI DEN ZAUBER ZAUBER, DEN IRRSINN IRRSINN UND DEN AUGENBLICK AUGENBLICK SEIN (Aus dem Buch Ungebunden von Kathrin Wilsmann).


References

References
1 Da der Verfasser des erwähnten Buches mittlerweile seinen Beruf gewechselt hat, und nun als Unternehmensberater oder so fungiert, werden wir den Titel an dieser Stelle nicht erwähnen. Nur so viel – Pinguine kommen auch drin vor.
2 Wir könnten die Schuld auch dem Rechtschreibesystem von 1990 geben.
3 Und Kommasetzung – das war schon immer meine Schwäche.
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