Polyliebe zwischen Duplo Steinen, Kuscheltieren und Töpfchen… Geht Poly-Familie?

Eigentlich bin ich nicht so der Typ, der in diesem Blog so gerne über Familien Themen schreibt. Für mich gibt es da ein paar Grenzen und die möchte ich nicht überschreiten.
Aber fairerweise muss ich schon sagen, dass das Thema Familie und Poly-Life schon sehr miteinander verwoben sind. Wie sollte es auch anders sein. Gerade wenn aus einem Baby langsam aber sicher ein Kleinkind heranwächst, dann ist da plötzlich noch ein weiterer Mensch, der immer mehr Bedürfnisse und Ansprüche an den Alltag stellt.

Die Herausforderungen den Alltag für alle Seiten und damit meine ich jetzt nicht mal mehr „nur“ die Familienmitglieder, sondern auch der, ich nenne es mal den erweiterten „Beziehungskreis“, fair zu gestalten. Für so Organisationsweltmeister wie Isabel und mich ist das schon eine durchaus interessante Aufgabe. Zeit ist hier der entscheidende Faktor, mit dem wir bloß allzu oft auf Kriegsfuß stehen. Ich befürchte, dass das auch nicht so gut behandelbar ist. Dafür klappt es aber noch ganz gut!

Man merkt aber, dass es viel wichtiger geworden ist, eigene Prioritäten für sich zu erkennen und entsprechend zu setzen. In den Tag hinein leben ist da oft keine gute Option mehr. Man gerät dadurch einfach zu schnell ins Hintertreffen. Dies führt bei mir schon öfters mal zu leichten bis mittleren Überforderungszuständen. Ich hoffe eigentlich immer noch, dass mir diese Anforderung zur Zeitoptimierung neben den Schmerzen später auch in der persönlichen Entwicklung zur Gute kommt. Nur ist es noch nicht soweit.

Ich muss sagen, dass ich auch „nur“ mit einem Kind gut mal an meine Grenzen stoße. Ich erwische mich auch manchmal bei dem Gedanken, dass ich mir diesen Status quo wieder zurückwünsche, wo wir beide einfach losziehen konnten, um das zu tun, was einem gerade in den Kopf kommt, ohne großartig Rücksicht auf das Familienleben nehmen zu müssen. An dieser Stelle schreibe ich aber auch ausdrücklich, dass ich das Leben mit Kind nicht mehr missen wollen würde, aber ich denke viele Elternteile kennen solche Gedanken zumindest mal von Zeit zu Zeit.

Nun wird es an dieser Stelle genügend Menschen geben, die einem sagen würden, dass man ja selber schuld ist, wenn man so ein komisches Leben, dieses „Poly-Dings“ unbedingt ausleben muss. Gepaart mit dem Evergreen-Spruch, dass man das nicht versteht und man das ja gar nicht könnte mit so weiteren Partnern… Ja, man kann dieser Argumentationslinie nicht absprechen, dass man natürlich diese Lebensweise selber gewählt hat, dennoch kann einem da auch mal das „Messer in der Tasche aufgehen“ (genervt sein… bitte nicht falsch verstehen).

Natürlich weiß ich, dass ich mir diese Lebensweise selber ausgesucht habe. Ich kann aber auch über Raucher, Trinker oder aber auch über spießige, klassisch monogame Lebensweisen den Kopf schütteln. Also was soll´s schon. Es gibt Tage, da könnte ich gleich nach der Arbeit ins Bett fallen, wohl wissend, dass der Nachwuchs natürlich auch noch Bedürfnisse hat, denen man begegnen möchte. Familienleben und Poly-Leben mit zwei weiteren Partnerinnen, die man zumindest ab und an mal in sein Leben mit einbeziehen möchte, ist schon eine organisatorische Herausforderung.

Ich glaube ja, dass so ein offenes Beziehungsleben ein interessantes Training sein kann, seine ganz persönliche Kapazitätsgrenze zum einen genau zu ermitteln, aber diese dann auch zu erweitern. Man merkt manchmal schon, wie viel man schaffen kann, aber man muss auch aufpassen, dass man sich nicht selber belügt, weil man schon auch die Dinge genau im Blick behalten sollte, die man vor sich herschiebt. Das kann auf Dauer ermüden und einem ein Gefühl der Ohnmacht bescheren und das fühlt sich dann gar nicht mehr gut an.

Es ist glaube ich wichtig, dass am Ende nicht die falschen Dinge auf der Strecke bleiben. Arbeit, Familie, weitere Partner:innen, Freunde, Hobbies, etc. Für mich gehören da halt auch Phasen der Ruhe dazu, also ein gute Portion Me-Time. Zeit in der ich reflektieren kann, wo ich meine Gedanken mal auf Reisen schicken kann. All das zusammen, füllen meines Erachtens mehr als 24h am Tag aus. Der geübte Leser von Texten zum Thema offene Beziehung und Co. wird bemerkt haben, dass ich z.B. das Thema Dating gar nicht mehr erwähnt habe. Richtig!

Jeder der mal so Dating Phasen hatte, ob nun poly oder monogam, der weiß, dass Dating vor allem Zeit in Anspruch nimmt. Da habe ich definitiv schon die Kapazitätsgrenze erreicht. Oft ist es der „Wunschvater des Gedankens“, wohlwissend, dass ich Zeiten habe, wo ich absolut nicht offen für Dating bin und eigentlich so gar nicht den Kopf dafür habe. Diese Phasen habe ich mittlerweile doch viel häufiger. Ich muss eher aufpassen, dass nicht bestehende soziale Kontakte leiden.

Dann gibt es da vielleicht noch Ziele im Leben, die man erreichen möchte. Ob nun in beruflicher Hinsicht oder im privaten Bereich. Alles braucht seine Zeit, aber die Zeit macht sich halt gerne rar und verschwindet auch gerne mal unerkannt durch die Hintertür. Wenn man an zu vielen Fronten kämpfen will, kann die Luft schon mal dünne werden. Da sind wir wieder bei den Prioritäten. Manchmal muss man da schon mal seinen Fokus verschieben und dann geraten schon mal Dinge oder aber auch Personen aus diesem Fokus. Keine Frage, dass ist manchmal nicht schön.

Ich will dieses Fass gerade nicht aufmachen, was jetzt eigentlich wichtig im Leben ist. Einfach, weil dass ein sehr individueller Blickwinkel sein kann. Ich stehe dazu, dass ich durchaus auch mal Zeit verschleudere und eben auch mal nicht produktiv bin. Dazu stehe ich. Das brauche ich und es gehört zu mir als Persönlichkeitsmerkmal. An dieser Stelle kann man hier sicher einen ganz eigenen Text schreiben. Vielleicht hilft es aber auch schon, dass man sich selber akzeptiert und nicht so oft bereut oder irgendwelchen Dingen hinterherweint.

Ich denke Isabel und ich haben jetzt im Laufe der Zeit gemerkt, dass man sich schon vermehrt absprechen muss und dass die persönliche, freie Zeit deutlich zurückgeht im Familienalltag. Gegenseitige Toleranz und Fairness sind da schon sehr wichtig. Gute Kommunikation und das Aussprechen zu können was einem wichtig ist. Und auch wenn solche Absprachen schon mal anstrengend sein können, ist es wichtig, dass wir alle merken, dass unsere Bedürfnisse vom jeweils anderen erhört werden und das auch darauf eingegangen wird.

Man läuft glaube ich häufig Gefahr, dass man Dinge, die der andere tut, nicht mehr sieht. In unserem Fall, finde ich wichtig, dass Isabel und ich die Balance halten, in den Verpflichtungen, denen wir beide nachkommen und nicht dieser gefährliche Gedanke aufkommt, dass man der Meinung ist, man würde eigentlich mehr tun als der andere. Daraus können sich aus meiner Sicht negative Spiralen in einer Beziehung ergeben, die wirklich keiner gebrauchen kann, die den Alltag eigentlich nur belasten.

Ehrlich gesagt, mag ich da lieber dieses Gefühl, auch mal Isabel Freiraum zu schaffen. Einfach dieses Gefühl, dass wir da ein Stück weit gegenseitig auf uns achtgeben. Uns die Zeit geben, dass wir wir selbst sein können. Das wir noch weitere liebe Menschen mit in unserm Leben einbinden können. Und ganz wichtig ist natürlich, dass unser Kind immer das Gefühl hat, dass Mama und Papa da sind.

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