Damenwahl am Herrentag (26.05.2022)

Wer kennt nicht diese Sexveranstaltungen?

Es soll sie geben, diese Partys…

Licht durchflutet die Räume, die Einrichtung ist weiß gehalten und an den Wänden hängen erotische Schwarz-Weiß Fotografien. Es läuft Musik bei der du Lust auf mehr bekommst und sich die Härchen auf deiner Haut aufstellen. Die Atmosphäre knistert wie diese Lollis aus der Kindheit [1]Die, die man in die Brausepulvertüte tunkt und danach mit Begeisterung den Mund aufreißt. Du fühlst dich sexy, bist stolz auf deine besonderen Reize – deine Hüfte, deinen Bauch, deine Nase… – Die Stimmung ist ausgelassen, das Publikum bunt. Hier auf der Couchecke unterhalten sich drei Personen anregend. Sie strahlen und lachen. Dort an der Bar verliebt sich eine Frau in die Lippen einer anderen und da auf der anderen Seite beobachtest du ein Knäul aus nackten Menschen, welche sich berühren, aneinander saugen und lecken. Die Stimmung ist achtsam und aufgeschlossen. Nationaltäten, sexuelle Orientierung und Geschlechter spielen eine untergeordnete Rolle. Niemand mustert abfällig oder verzieht das Gesicht. Es wird gelacht, getanzt, geküsst und gefickt.

Es soll sie geben, diese Partys..

Meine (subjektiven) Eindrücke bisher waren anderer Natur. In rot beleuchteten z.T. stickigen Räumen stehen Personen in den Gängen und an der Bar, welche sich pärchenweise begutachten und mustern. Der ein oder andere Gesichtsausdruck sagt „Ich möchte nicht mit dir schlafen, also möchte ich mich auch nicht mit dir unterhalten.“

Man trifft sie durchaus, die aufgeschlossenen, unvoreingenommenen Männer und Frauen, die Lust auf verschiedene Körperformen, Hautfarben und Sprachen haben. Doch nicht selten habe ich das Gefühl, der normschöne Mensch mag vornehmlich Vanilleeis ohne Streusel und küsst am liebsten seinesgleichen.

Ich bin ein dickes Mädchen. Ich bin ein dickes Mädchen und ich liebs. Ich habe einen üppigen Busen, bunte Tattoos und jede Menge sexuelle Schwungmasse. Mein Blick ist wild und meine Art ausgelassen. Ich bin keine Normschönheit, aber ich bin besonders – hat man mir mal gesagt – wie blaues Kaugummieis mit buntem Konfetti und Himbeersahne. Und genauso empfinde ich es auch im Datingkontext. Natürlich gibt es die eine oder den anderen, die abfahren auf in Himbeersahne gebetetes Kaugummieis. Klassisches Vanilleeis ist jedoch noch immer vielfach die Präferenz. [2]Achtung, „Eis“ ist nur eine Metapher Daher weise ich beim Kennenlernen vorsichtshalber darauf hin: „Meine Geschmacksrichtung und ich sind eigenwillig“. Wenn es geht erspare ich mir unnötige Enttäuschungen. Besuche ich Dating- oder sexpositive Veranstaltungen, kleide ich mich so, dass vorallem ich selber mich sexy finde. Große Erwartungen auf heiße Flirts und Liebschaften trage ich nicht in der Handtasche.

So ist es auch am Herrentag des letzten Jahres. Toms beste Freundin fragt mich, ob ich sie auf eine Vernisage begleite, bei der es sich nicht ausschließlich um Kunst dreht. Veranstaltet wird das Ganze von einer Plattform, auf welcher Frauen bzw. Flinta sich erotisch begegnen und mit Konsens erforschen können. – fernab von männlichen Wünschen und Begehren. Es soll ein Raum für Frauen geschaffen werden, in dem sie sich frei fühlen und bewegen können. Warum muss es am Vatertag denn unbedingt um den Man gehen? Auf Partys, wie der heutigen, geht es um verführerische Unterhaltung für sie. Erst die Kunst dann die Erotik. Ich mag Kunst und freue mich auf den Abend. Da ich jedoch davon ausgehe, dass vor allem – wie in meinem Sportkurs um die Ecke – „klassische, schlanke Frauen anwesend sein und ihres Gleichen suchen werden, melde ich mich nicht zur „Aftershowparty“ an.

Meine Begleitung und ich betreten mit als erste die Galerie. [3]Komisch, dabei bin ich sonst immer zu spät Mir fällt auf, dass sowohl die Veranstalterinnen als auch die ersten Gästinnen wie erwartet von „klassischer“ bzw. schlanker Schönheit sind. Doch anders als auf Partys, in Sportkursen oder Swingerclubs, fühle ich mich nicht kritisch beäugt. Stattdessen glaube ich diesen Frauen, dass sie sich darüber freuen mich heute zu Gast zu haben.

Es entstehen lockerleichte, authentische Gespräche unter interessierten Frauen, umgeben von eindrucksvollen Bildern. Nach und nach füllt sich die Veranstaltung. Flinta mit den unterschiedlichsten Stilen, Körperformen, Gesichtszügen, Hautfarben und Frisuren betreten die Räume. Das Gefühl Schönheit greifen zu können durchflutet mich. Die Stimmung ist ausgelassen, das Publikum bunt wie Streusel auf einem Eisbecher. 😉

Es soll sie geben, diese Partys…

In einem kurzen, kritischen Moment frage ich mich, inwieweit sich die Stimmung verändern würde, wäre ein Mann anwesend. Ich merke mir diesen Gedanken für später, hole mir ein weiteres Getränk und melde mich für die Anschlussparty im Hotel an.

Es ist ein kleiner Fußweg, dann betreten über ein Dutzend Frauen und ich ein liebevoll dekoriertes Hotelzimmer. Neben Knabbereien, Getränken und Kerzen wurde an alles gedacht.. auch an die Frau, die das Eis bricht. Sie ist Autorin, trägt einen roten Lippenstift und einen klassischen weißen Einteiler.[4]Zumindest in meiner Vorstellung Literatur ist ihre Leidenschaft, Erotik ihre Passion und Englisch ihre Herzenssprache. Auch wenn ich nicht jedes Wort verstehe, so kann ich das Knistern und Prikeln spüren, welches der Text vermitteln soll und was nun auch den Raum erfüllt.

Es soll sie geben, diese Partys…

Und dann, wird die Flasche gedreht. Es ist fast wie in Jugendzeiten mit Wahrheit oder Pflicht. Eine erotische Fantasie nach der anderen kommt zum Vorschein und nach und nach fallen Kleidungsstücke zu Boden. Es wird gelacht, geküsst und gestreichelt. Komplimente durchstreichen federleicht den Raum. Neben einem massiven Ohrensessel steht eine zierliche kleine Frau mit entzückenden festen Brüsten. Ihre Nebenfrau schaut sie bewunderungsvoll an, worauf die Bewunderte entgegnet “ Jede Frau hat schöne Brüste. Es kommt nur auf die Haltung an. Steht gerade und sie sehen fantastisch aus.“ Wie wahr, wie schön, wie achtungsvoll!!

Die Flasche zeigt auf mich. Meine Aufgabe ist es eine Frau meiner Wahl zu küssen. Neben mir sitzt eine Blondine mit kurzen Haaren. Sie ist ein paar Jahre älter als ich, hoch gewachsen, schlank, mit breiten Oberschenkeln und einer größeren Nase. Ich mag ihren Blick. Ich mag auch den Geschmack ihrer Lippen. Während die Flasche schon auf die Nächste zeigt, küssen wir uns weiter, berühren uns, stehen elektrisiert auf und wandern verschlungen hinüber zu dem Bett auf der anderen Seite des Raumes. Ich höre nicht auf sie zu küssen. Die leichte Stimmung lässt mich alles um mich herum vergessen – auch das Lachen von 10 Frauen die Flaschendrehen spielen. Ich versinke in ihr, lecke und schmecke. Während die anderen weiter spielen, reitet sie mein Gesicht. Ich genieße ihr Zucken und spiele mit der Zunge an ihrer Klitoris wie mit dem Kern einer Kirsche. Als ihr Orgasmus verebbt, gehen ihre Hände auf Wanderschaft. Erst spüre ich ihre Finger in mir, dann ihre Zunge. Ich lasse mich fallen und bäume mich auf..

In dem Raum ist es mittlerweile ganz leise geworden. Hier und da kann man leichtes Stöhnen und Schmatzen erahnen. Der Raum ist getränkt in Kerzenlicht. Meine Gespielin und ich haben das Bett verlassen und liegen nun verschlungen auf dem Sofa. Auf dem Boden liegen Frauen, die sich paarweise erkunden. Es ist schön sie zu beobachten, so behutsam und sanft. Schön anzusehen sind auch die ineinander verschlungenen Frauen auf dem Bett. Sind es vier, oder fünf? Sie küssen, fingern und lecken sich. Alles ist so leicht und ungezwungen.

Es soll sie geben, diese Partys…

Es war nicht meine erste „sexpositive“ Veranstaltung die ich besucht habe. Doch die erste Veranstaltung ganz ohne kritische Blicke, oder offensichtliche Erwartungen. Auch ich als Frau nehme Frauen im Allgemeinen größtenteils angespannter , voreingenommener und weniger aufgeschlossen war. Meine Freundin, welcher ich von dem Abend erzählte, stellte die These in den Raum, dass hätte ein Mann das Hotelzimmer betreten, hätten viele der anwesenden Frauen instinktiv den Bauch eingezogen. Abwegig finde ich diese Mutmaßung nicht, doch ich glaube nicht, dass es an dem anderen Geschlecht liegt. Ich denke es liegt an sehr alten, tiefen Glaubenssätzen, sowie an den Erwartungen von denen wir denken, dass das andere Geschlecht diese an uns hat. Aber diese Überlegung ist einen gesonderten Text wert.

References

References
1 Die, die man in die Brausepulvertüte tunkt und danach mit Begeisterung den Mund aufreißt
2 Achtung, „Eis“ ist nur eine Metapher
3 Komisch, dabei bin ich sonst immer zu spät
4 Zumindest in meiner Vorstellung
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